Musikstunde

Robert Schumann und der Fluch der Romantik

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Musikstunde
 

Robert Schumann
und der Fluch der Romantik


 
Zum wirklich ganz großen Thema des Jahres möchte ich, bevor es ruckzuck vorüber ist, doch noch ein ganz klein wenig erzählen. Also eigentlich schon ein bißchen mehr, deshalb teile ich meine Geschichte(n) um Robert Schumann auch artig in drei Teile, damit Sie die bis Weihnachten dienstags in genüßlichen Happen bei ein wenig Adventsgebäck vernaschen können. Meine Frau schwärmt ja für Printen - über das, was man mit denen alles in der Küche anstellen kann, hat sie übrigens ein kleines Kochbuch geschrieben. Aber ich schweife ab
 
An einem Freitag, dem 8. Juni 1810 nämlich - und in dem Jahr übrigens, in dem das erste Oktoberfest stattfand! -  ist er auf die Welt gekommen, in Zwickau: Robert Schumann. Wissen Sie, daß er in die gefährlichste Zeit der deutschen Kulturgeschichte hineingeboren wurde: die Romantik? Wen sie gepackt hat, der tat es nicht mehr lang. Novalis starb mit 28 Jahren, Kleist mit 34, Lord Byron wurde 36, Nikolaus Lenau taucht mit 42 in geistige Umnachtung, Franz Schubert wird gerade mal 31 Jahre alt, Felix Mendelssohn-Bartholdy 38 und Carl Maria von Weber stirbt mit 39 Jahren. Robert Schumann hat es immerhin auf 46 Jahre gebracht, gut, is aber auch nicht das pralle Alter. Dagegen die Frauen! Bettina von Arnim wird 74, Clara Wieck verwitwete Schumann gar 77! Dauernd sterben dann auch noch Menschen um ihn herum. Gut, ich sagte bereits: die Romantik war eine gefährliche Zeit. Dennoch:
Er ist 15, da ertränkt sich seine Schwester, noch nicht zwanzig Jahre alt.
Er ist 16, da stirbt sein Vater.
Er ist 23, da sterben gleich zwei: sein Bruder Julius und seine heißgeliebte Schwägerin Rosalie.
Und ausgerechnet der, der ihn in dieser Zeit tröstete, Ludwig Schuncke, Freund, Schriftsteller und Geistesverwandter, stirbt dann auch noch, ein knappes Jahr später. Alles in allem ein bißchen viel für einen jungen Menschen mit sensiblem Gemüt. Vielleicht hat er deshalb als Jugendlicher diesen unglaublichen Satz gesagt: „Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume“, womit er zwar Recht hatte, aber traurig ist es doch, daß ein junger Mensch solche Erkenntnisse hat, oder? Da fällt mir meine Mama ein, die mir einmal gesagt hat: „Sollte Deine Frau mal schwanger werden, sieh zu, daß sie nur und ausschließlich schöne Dinge anschaut, dann wird es ein glückliches Kind“, hab ich natürlich versucht, aber da müssen doch ein paar Blicke seitab gewandert sein...
 
Jura sollte er studieren, der Schumann, es sollte ja was ordentliches aus ihm werden, und dazu ging er nach Heidelberg zu Professor Thibaut. Thibaut war der klassische Fall des Quartals-Kreativen: vier Wochen schön steif in Frack und Zylinder Paragraphen wälzen, dann einmal im Monat am Cembalo bei Palestrina die Sau rauslassen! Sprich: Hauskonzerte hat er gemacht, denen Schumann beiwohnte.
Und Thibaut heulte, tobte, warf die Mütze und strampelte, wenn der Hausfrauenchor dann doch mal das hohe Fis traf. Aber: er muß wohl die wichtigste Fähigkeit, die ein Jurist haben muß, nämlich Durchsetzungsfähigkeit, bei Schumann richtig eingeschätzt haben, als er ihm empfahl, es sein zu lassen und Musiker zu werden.
So schrieb also Schumann an seine Mutter den legendären Brief vom 21. August 1830, in dem er sie bat, das Jus-Studium sein lassen zu dürfen. Da kann man nur sagen: Robert, uneingeschränkter Beifall! Nicht jeder von uns hat sich getraut, so einen Brief abzuschicken. Darin sagt er:
„Ist mein zukünftiger Wirkungskreis nicht ein ewiger, fataler Schlendrian von Raufereien und Viergroschenprozessen? - Und hab’ ich’s mit anderen Menschen zu tun als mit Züchtlingen und anderem Gesindel? - Und was hab ich nun davon? Wenn ich’s weit bringe: einen Oberaktuarius in einer Landstadt mit 3.000 Einwohnern und 600 Talern Gehalt!“
Nicht falsch, möchte ich sagen, nur mit den Ziffern hat er sich vertan, aus heutiger Sicht jedenfalls. Und er schließt mit dem schönen Satz: „...lieber arm und glücklich in der Kunst, als arm und unglücklich im Jus!“.
 
Nächste Woche erzähle ich Ihnen dann, wie der Robert um seine Clara, geborene Wieck gerungen hat. Und das war wirklich nicht einfach.
 
Ich freue mich schon darauf, Sie am kommenden Dienstag wieder zu meiner musikalischen Plauderstunde begrüßen zu dürfen und bleibe derweil mit den allerfeinsten Adventswünschen
 
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker