Über den Zustand des Nutzlosen

Ein Kino-Film über den Wuppertaler „Kirschgarten“

von Martin Hagemeyer

Thomas Braus als Firs - Foto © Joachim Dette
Nutzlos, aber ertragreich:
 
Zum Kino-Film über den
Wuppertaler „Kirschgarten“
 
 
Am 6. Dezember hatte der Film „Über den Zustand des Nutzlosen“, der anhand der aktuellen Wuppertaler Schauspielproduktion „Der Kirschgarten“ die Situation des gefährdeten Theaters der Stadt reflektiert, im Cinemaxx-Kino Premiere. Die Inszenierung von Intendant Christian von Treskow um eine adlige Familie, die am titelgebenden Garten festhält und dadurch untergeht, stellt die Frage nach dem Verhältnis von Ästhetik und Pragmatismus – vor dem Hintergrund der städtischen Sparpläne von besonderer Bedeutung. Die Filmemacher René Jeuckens und Grischa Windus haben eine Dokumentation aus Spielszenen, Probenaufnahmen und Äußerungen der Beteiligten zusammengestellt, die diesen Aspekt ausführt.
 
Wie die Inszenierung, so spricht auch der ihr gewidmete Film kein Urteil darüber aus, ob der Sinn für das Schöne wichtiger ist als der für das Notwendige. Und das wäre auch schwierig, denn vorschnell die Verträumtheit des Adels für vorbildlich zu erklären, hieße ja auf das Wuppertaler Schauspiel bezogen, man solle die Hände in den Schoß legen. Schauspieler Gregor Henze, auf der Bühne der ewige Student, stellt im Film aber mit Recht fest: „Die Reaktion der Macher hier ist ‘ne kämpferische“ – man erinnert sich an in der Tat sehr rührige Aktionen wie „24 Stunden Theater“ zu Jahresbeginn. Andererseits hätte „Macher“ Lopachin, der neue Besitzer des Kirschgartens, das Schauspielhaus wahrscheinlich längst an einen Disco-Veranstalter verschachert, um die Finanzen der Bühnen aufzubessern. Der Vergleich Tschechow – Wuppertal, er gerät irgendwann in eine Sackgasse.
 
Der Film ist dennoch sehenswert, auch deshalb, weil er dem Theaterfreund die seltene Gelegenheit bietet, die Arbeit auf der Probebühne in Ansätzen mitzuerleben – wer es noch nicht wußte, ahnt nun, daß der Schauspieler-Beruf neben vielem anderen auch dies ist: anstrengend. Selten hört man auch Darsteller ihre Figur kommentieren; so tut es hier Thomas Braus, der den Diener Firs spielt und als Fleisch gewordener Anachronismus durchs Geschehen schleicht: „Langsamkeit hat manchmal auch einen Wert.“ Bei den Interviews in Elberfelder Straßen begegnen uns die Theaterleute als Menschen – und erst recht im Kinosaal, wenn sie wenige Reihen hinter dem Zuschauer über Momente des Films in Lachen ausbrechen (ohne den Ernst der Lage zu verkennen).
 
Es ist wohl ein Merkmal unserer Zeit, daß alles, und damit auch die Kultur, auf den Prüfstand kommt. Aber wenn Kulturschaffende nicht ohne Stolz jeden Gebrauchswert ihrer Kunst von sich weisen, so stimmt das ja nicht: Gerade die „Kirschgarten“-Inszenierung zeigt – auch im Film –, daß Theater sich ganz konkret in aktuelle Debatten einschalten kann, indem es Positionen auf die Bühne bringt und diskutiert. Selbst wenn es am Ende keine Lösung verkaufen kann.

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