Ein Fall für Markus Wegener

Sebastian Stammsen - "Gegen jede Regel"

von Jürgen Kasten
Der Krimi lebt!

Gerade erst hat die Süddeutsche Zeitung den Krimi totgeschrieben, bzw. ihm dem Status der Literaturzugehörigkeit abgesprochen. Geradezu inflatorisch sei die Flut der dilettantischen Regionalkrimis. Mag sein. Es gibt aber Ausnahmen.

Dieser Krimi hier spielt in Krefeld, teilweise auch in Münster. Das hat für den Roman keinerlei Bedeutung. Die Handlung könnte überall angesiedelt sein. Von Belang ist jedoch, daß es sich um einen echten Polizeikrimi handelt. Kriminalkommissar Markus Wegener tritt als Icherzähler auf. Er wird nur deshalb zum Leiter einer Mordkommission bestimmt, weil alle anderen bereits an einem anderen aktuellen Fall arbeiten und seine Dienststelle personell ausgeblutet ist. Zusammen mit seiner Kollegin Nina Gerling führt er ein Team von Ermittlern und Technikern aus den umliegenden Behörden.

Ein 17-jähriger Gymnasiast liegt erstochen in der elterlichen Wohnung. Die Eltern sind sehr mit sich selbst beschäftigt. Über die Aktivitäten, Freunde oder sonstigen Umgang ihres Sohnes wissen sie nichts. Der Junge scheint ein Einzelgänger gewesen zu sein. Blaß, schwarze Klamotten, lange Haare, schwarzes Zimmer, Heavy Metal Poster an den Wänden. Das wird einfach. Tobias hatte ja so gut wie keine Kontakte zur Außenwelt.

Einfach wird es aber nicht, denn der Vater läßt seine Kontakte zur Politik spielen und die reichen bis ins Polizeipräsidium. So hat Markus Wegener plötzlich eine Kommission von 20 Ermittlern zur Verfügung. Die braucht er auch, der Schein trog.

Tobias hatte Freunde und Freundinnen in der Schule, sexuelle Kontakte zu älteren Frauen, spielte in einer Band, komponierte und textete und auf einer versteckten Festplatte seines Computers finden sich merkwürdige Dateien. Unter anderem E-Mail-Verkehr zu einem wenig bekanntem Spiel namens „Dominanz“. Neue Motive und mögliche Täter finden sich quasi im Stundentakt. Weber erfährt nach und nach, daß der Sinn des PC-Spieles darin liegt, Dominanz über die Herrschaft Europas zu erlangen und dazu Absprachen mit kriegerischen Nachbarländern per Mail notwendig werden. Dabei darf taktiert, gelogen und dürfen Absprachen gebrochen werden. Auf die raffinierteste Taktik kommt es also an, besonders jetzt, da es um die Deutsche Meisterschaft geht. Natürlich gibt es auch Regeln, doch Tobias spielte offensichtlich gegen jede Regel.

Der Autor Sebastian Stammsen ist im Hauptberuf Psychologe. Das merkt man seinem Kommissar Wegener an. Der denkt viel und analytisch, kann gut delegieren und läßt auch abweichende Meinungen zu. Da er zu allem Überfluß auch noch gemobbt wird, ist das für ihn keine leichte Situation. Zum Glück steht seine Kollegin Nina Gerling zu ihm. Sie ergänzen sich ausgezeichnet, kommen sich auf einer Dienstreise auch menschlich näher; aber nicht zu nahe. Davor hat Wegener nach seiner gescheiterten Ehe Angst.

Die Dialoge in diesem Roman, die gedanklichen Ausflüge Wegeners und die Schilderung der polizeilichen Arbeit sind perfekt aufeinander abgestimmt. Der sprachliche Stil ist einwandfrei und die Geschichte als solche logisch und in einem überaus spannenden Plot umgesetzt. Die Nebenhandlung um einen grenzüberschreitenden Serienmörder mußte nicht zwingend eingefügt werden. Gleichwohl – es handelt sich hier um einen Debütroman mit intelligenten, sympathischen Ermittlern, von denen man gerne weiteres läse. Ich stelle fest: Der Krimi als Genre ist nicht tot. Hier stellt er sich sogar serientauglich vor. Urteilt stolz auch der Verlag.

Beispielbild

Sebastian Stammsen
Gegen jede Regel

Kriminalroman
 
© 2010 GRAFIT Verlag GmbH, Dortmund
379 Seiten, Paperback - ISBN: 978-3-89425-379-0
€ 9,95 (D), € 10,30 (A)
 
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