Ungute Zeitreise

Drei Mozart-Sinfonien mit dem Sinfonieorchester Wuppertal

von Friederike Jensen

Ungute Zeitreise

Daß sich das Sinfonieorchester Wuppertal mit seinem GMD Toshiyuki Kamioka nach einer anstrengenden Saison und nach Beginn der Ferien noch für ein Benefizkonzert zugunsten der Christlichen Hospizstiftung zur Verfügung stellte, ist nicht hoch genug zu loben. Alle Musiker waren seit Wochen urlaubsreif und an der Grenze ihrer Kräfte. Dann zum Saisonschluß noch die drei letzten Mozart-Sinfonien, da war man gespannt und erfreut. Eigentlich ein super Saisonschluß.

Aber was war in den Chef gefahren? Zuerst rieb man sich die Ohren; ist man doch packende Interpretationen und ein hochmotiviertes Wuppertaler Orchester gewohnt. Waren die letztlich doch ausgebrannt, urlaubsreif, müde, lustlos? Nein, das war es nicht. Die Musiker waren merkbar engagiert, mit gewohnter Spielfreude zu agieren, allein Kamioka ließ sie nicht. Denn bereits nach dem ersten Satz der Es-Dur-Sinfonie begriff man, daß es Kamioka leider ernst war mit dem Bruch einer Spieltradition, die nun auch schon 30 Jahre alt ist. Die Verweigerung jeglicher mittlerweile üblicher Spielweisen für klassische und Alte Musik war schon bemerkenswert. Daß die Musik bis ca. 1850 eine reine Sprach- und Impulsmusik ist, daß Klangflächen keine Rolle spielen, daß es so gut wie immer um rhetorische Figuren geht, von all dem schien Toshiyuki Kamioka nichts wissen zu wollen. Der Klang pendelte sich zwischen Karajan mit den Berlinern und Karl Richter mit den Münchnern so gegen 1974 ein. Nicht schlecht im Ton, aber leider völlig gegenstandslos im musikalischen Gehalt. In einem Programm mit einer Mozart-Sinfonie neben anderen Stücken hätte man diesen Versuch vielleicht noch toleriert, muß der Mensch doch frei bleiben für Versuche; aber drei Sinfonien Mozarts in dieser herz- und leider eben auch ideenlosen Weise zu hören, ging schon an die Nerven.

Gut, Kamioka hat uns deutlich gemacht, daß er Nikolaus Harnoncourts Lebenswerk und seine Erkenntnisse über Alte Musik nicht schätzt, daß er scheinbar alle Tendenzen der Alten Musik der letzten zwanzig Jahre uninteressant findet. Gut - eigentlich sogar eine interessante Provokation, denn Hörgewohnheiten sollten immer hinterfragt werden. Aber wenn man sich so weit aus dem Fenster lehnt, sollte man eine gewichtige Alternative im Frack haben, sonst fällt man eben hinaus. So sah man am Ende stehende Ovationen (in Wuppertal mittlerweile Bürgerpflicht) und einige ratlose Gesichter. Dennoch, die Einnahmen gingen alle auf das Konto des Hospizes, und das war schon einen mächtigen Applaus wert.