Ein Boulevard-Cyrano

"Cyrano de Bergerac" von Edmond Rostand am Bochumer Schauspielhaus

von Andreas Rehnolt
Trotz gewaltiger Nase
keine wirklich große "Cyrano"-Inszenierung
 



Im Bochumer Schauspielhaus setzt Katharina Thalbach
die romantische Komödie von Edmond Rostand
weitestgehend als Boulevard-Klamotte um 
 
 
Trotz gewaltiger angeklebter Nase des Protagonisten "Cyrano" gelang Katharina Thalbach als Regisseurin der romantischen Komödie "Cyrano de Bergerac" am Bochumer Schauspielhaus keine wirklich große Inszenierung. Im großen Haus geriet das Stück aus der Feder von Edmond Rostand mit gut drei Stunden nicht nur entschieden zu lang, es blieb - vor allem in der ersten Hälfte - weitestgehend eine Boulevard-Klamotte. Gewiß, die Damen waren vorzüglich gekleidet, die Fechtszenen hervorragend einstudiert. Allein die textliche Umsetzung blieb platt.
 
Da konnte auch Armin Rohde als korpulenter Poet und Degenschwinger nicht verhindern, daß man sich im Theatersaal in weiten Strecken doch lieber an das Leinwand-Abenteuer des ebenfalls schwergewichtigen Gerárd Depardieu erinnerte. Das Bühnenbild mit einer großen Treppe und einer Wand, die sich - ausgeklappt - mal ins Wohnhaus der schönen Roxane (Nadja Robiné), mal in ein Kochstudio des versversessenen Ragueneau und dann in eine grottige Kirchenkapelle verwandelte, konnte auch nicht wirklich überzeugen.
 
Zur Handlung: Cyrano, der große Fechtmeister und freiheitsliebende Poet mit der spitzen Zunge und der gigantisch großen Nase verliebt sich in seine schöne Cousine Roxane, ist aber zu schüchtern, sich ihr zu nähern - er fürchtet wegen seines Riechorgans abgewiesen zu werden. Zudem wünscht sich Roxane die - geistreiche - Zuneigung des in der Bochumer Version leider zu prollig daherkommenden Christian (Nicola Mastroberardino), der in Cyranos Truppe bei den Gascogner Kadetten dient. Doch dem Kadetten geht jeglicher Sinn für Poesie ab. So bietet ihm Cyrano seine Hilfe zur Liebeswerbung an.
 
Er schreibt an Roxane Liebesbriefe in Christians Namen. Dadurch gewinnt der Roxanes Herz und Hand, muß aber kurz nach der Eheschließung in den Krieg. Mit allen Mitteln versucht Cyrano, das Roxane gegebene Versprechen, Christian zu beschützen, einzuhalten. Die französischen Truppen werden von den Spaniern eingeschlossen und es beginnt ein verzweifelter Verteidigungskampf, den man in Bochum mit viel Knallerei und Pulverdampf schier endlos austrägt. Eines der schönsten Bilder der Inszenierung ist sicherlich, daß Sekunden vor der Pause unzählige von Cyrano geschriebene Liebesbriefe an Roxane vom Bühnenhimmel fallen.
 
Davor gibt's ein gar grauslich anzuschauendes und klingendes Küchenhilfe-Ballett mit dem gerapten Lied "Wir kriegen es schon noch gebacken", eine Freundin von Roxane, die allzu sehr an Ingrid Steegers alte Klimbim-Auftritte erinnert und einen mißlungenen "Roxanne"-Song frei nach Police. Nach der Pause wird im Schützengraben zunächst gegessen. Als Cyrano sich endlich dazu durchgerungen hat, Roxane seine Liebe zu gestehen, fällt Christian im Kampf. Und um dessen Andenken nicht zu beflecken, verschweigt Cyrano weiter die Wahrheit gegenüber Roxane, die ins Kloster geht und nun 14 Jahre lang täglich von Cyrano besucht wird.
 
Der kann einem wirklich leid tun. Die Nonnen im Kloster sind nämlich nicht minder nervig, als die Küchengehilfinnen im ersten Teil der Inszenierung. Erst zuletzt erkennt Roxane, daß alle die von ihr so heiß geliebten Briefe nicht von Christian, sondern von Cyrano geschrieben wurden. Doch ein Attentat auf den in die Jahre gekommenen Wort- und Degenhelden verhindert das späte Glück. Cyrano stirbt im Klostergarten im Beisein Roxanes und seiner engsten Freunde. Die zweite Hälfte des Bochumer "Cyrano" hat immerhin ein paar poetische Momente und kaum mehr Kalauer.
 
Sei es drum: Die Bochumer Premierengäste waren mit der Inszenierung zufrieden. Und die massive Vorab-Berichterstattung über Rohde's Rückkehr nach Bochum nach langjähriger Bühnenabstinenz hatte noch vor der Premiere dafür gesorgt, daß die folgenden Aufführungsabende bereits so gut wie ausverkauft waren.
 
Weitere Informationen unter: www.Boropa.de
 
Redaktion: Frank Becker