Die Kunst der kleinen Form

Franz Hohler - "Das Kurze - Das Einfache - Das Kindliche"

von Frank Becker
Parabeln und paradoxe Pointen


Da ging einmal ein Mann ins Büro und traf unterwegs einen
anderen, der soeben ein französisches Weißbrot gekauft
hatte und sich auf dem Heimweg befand.
Das ist eigentlich alles



Er beherrscht wie kaum einer seiner Zeitgenossen die kleine und die ganz kleine Erzählform. Franz Hohler hat sprachlich schon immer, auch in seinen literarischen Kabarettprogrammen, mit beneidenswerter Leichtigkeit dort mit stecknadelkopfgroßen Bällen jongliert, wo andere verbale Medizinbälle wuchteten. Sein Faible für die "Verknappung" des Wesentlichen hat ihm sogar eine Reihe mit Poetik-Vorlesungen an der Universität Zürich eingebracht, in der er in griffiger Form seiner Hörerschauft nahebrachte, was zum einen den Reiz der Reduktion ausmacht und wie zum anderen scheinbar unsinnige oder bedeutungsleere Sätze von großer Tiefe sein können. Die Zürcher Hochschule war gut damit beraten, sich diesen literarisch einzigartigen "Jackpot" zu sichern.

Der große Zwerg
Es war einmal ein Zwerg, der war 1,89 m groß.

Klassisch sind seine Geschichten über das Ektische und warum diese Sprache zu den ausgestorbenen zählt und die mysteriöse Geschichte von den Riesen im Parkhaus. Oft sind Franz Hohlers lakonischen Fabeln, seine kurzen Märchen und kleinen Gedichte Parabeln auf den Hintersinn des Lebens, dann wieder sind sie der Hintersinn selbst. Man muß bei den paradoxen Pointen, die er kunstvoll drechselt, auf alles gefaßt sein. Sogar dann wenn es nicht kommt, ist es bereits geschehen. Also beim Lesen seiner Bücher stets auch ein ganz klein wenig nach hinten über die Schulter schauen - da steht schon der Narr mit der Pritsche - und zack! hat er einen. Daß die oft kurios wirkenden Texte, mitunter auch in der von ihm geliebten Schweizer Mundart dabei doch sehr lebensnah sind, zeigt dieser:

Herbschtgedicht

Dusse goht der Wind
e Föige putzt der Grind
de Spatze glänze d Schnäbel
e Chue seicht dure Näbel
me gseht si einig Schnuuf
s Benzin schloht wider uf


Glücklicherweise liegen Franz Hohlers Vorlesungen mit vielen Textbeispielen, ergänzt durch Beiträge in Zeitschriften, bei Luchterhand jetzt auch in Buchform vor. Für jedermann.

Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte
ihn mit den Worten: "Sie haben sich gar nicht verändert."
"Oh!" sagte Herr K. und erbleichte.



Das letzte Kapitelchen darin gehört einem seiner langjährigen Freunde, Kollegen und Wegbegleiter: Hanns Dieter Hüsch. Dessen Worte sollen hier den Schluß bilden:

"Ich möchte, daß die Welt mal lächelt,

Eh´s zu spät ist."
  
Beispielbild

Franz Hohler
Das Kurze
Das Einfache
Das Kindliche

© 2010 Sammlung Luchterhand

189 Seiten, Klappenbroschur
9,- €

Weitere Informationen unter:
www.luchterhand-literaturverlag.de