Von Briefmarken und Autotelefonen

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek - Archiv Musenblätter
Von Briefmarken und Autotelefonen
 
Wissen Sie, was ich so gern mal möchte? Manchmal denke ich mir, es wäre doch schön, wenn ich auch mal auf eine Briefmarke draufkäme. Na, was sagen Sie jetzt? Eitel! ich habe mir gedacht, warum nicht? Jeder von uns kommt mal auf eine Briefmarke, nicht für immer, sondern nur für drei Monate, es soll jeder drankommen, also immer abwechselnd, und das ist dann der allerhöchste Status, wenn man nicht mehr zu sagen braucht: »Ich habe ein Autotelefon«, sondern als Mann von Welt sagt: »Ich bin auf einer Briefmarke!« Aber wie gesagt, jeder müßte drankommen, sonst gibt das auf  Dauer böses Blut, und das will man ja nicht. Jetzt geht das ja schon mit den Handys los! »Haben Sie schon ein Handy?« »Noch nicht, aber ab nächster Woche.« »Wir haben schon zwei, eins für oben und eins für unten, da müssen wir nicht dauernd rauf- und runterlaufen.« Also das Handy wird demnächst erste Bürgerpflicht, und dann kommt das Autotelefon und dann die Briefmarke. Ich würde mir stundenlang ein schönes Foto machen lassen und dann briefmarkengerecht verkleinern. Aber ich habe gehört, daß unsere Post sehr heikel ist und sagt: In unserem Land ist eine Briefmarke auch ein Informationsträger, sie soll eine Botschaft vermitteln. Das sagen die wörtlich. Also nun weiß ich bis heute nicht, ob ich ein Informationsträger bin, ich weiß auch nicht, ob ich so aussehe und eine Botschaft vermittle„ Ich glaube, da bin ich schon zu alt für, aber ich würde mir die Haare, vielmehr was davon noch übrig ist, schön schneiden lassen und vielleicht so ein Äuglein kneifen auf der Briefmarke, obwohl sie auf der Post ja sagen, es müßte da ein aktuelles oder historisches Thema von weitreichender Bedeutung vorliegen, und so weitreichend bin ich ja nun nicht, will ich auch gar nicht sein, ich will nur einmal auf eine Briefmarke drauf. Ich habe ein Foto, auf dem sehe ich aus wie der Preußische Finanzminister a.D. von 1929. Das Foto könnte man doch nehmen, Therese Giehse haben sie auch genommen, und die sah auch nicht weitreichend aus. Ist ja sicher manchmal auch Schiebung, wie überall. Und da reden auch noch Grafiker in so einem Fachgremium mit, und da hat unsereiner natürlich gar keine Chance, Aber ich sage immer: Ich bin das Volk, das Volk bin ich, und ohne meine Steuern geht nichts. Nein wirklich, das muß man sich nur mal klarmachen,  ohne unsere Steuern geht nichts, also könnte man doch mal jeden, wie gesagt immer abwechselnd, auf eine Briefmarke drauftun. Aber die haben immer faule Ausreden. Vielleicht kaufe ich mir doch noch so ein Handy oder ein Autotelefon. Da könnte ich wenigstens mitreden. Aber auf einer Briefmarke, da brauche ich gar nichts zu sagen und bin doch unter Menschen.



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung