Die schöne Maske auf dem Faschingsball

Eine Episode

von Rudolf Engel
Die schöne Maske
auf dem Faschingsball
 
 
   Bei der Erinnerung an diese letzte Epoche der Nachkriegszeit verwundert sich Ferdinand darüber, wie sehr, wie emsig und wie heftig doch das Leben damals wieder voll in die Gänge kam. Die Menschen arbeiteten wie die Ameisen; sie nahmen aber auch jede Gelegenheit wahr, um vom Alltag Abstand zu nehmen, kleine Abenteuer zu erleben, neue Freunde zu gewinnen, um ausgelassen Feste zu feiern und sich mit vollem Elan wieder zu vergnügen. Wenn er die bunten Bilder Revue passieren läßt von dem lebhaften Treiben während der damaligen Faschingszeit, in der auch die Erwachsenen sich wieder maskiert auf der Straße zeigten, so muß sich Ferdinand auch darüber wundern, woher die Leute nur die Verkleidungen und Masken beschafft hatten. Einiges gab es zwar schon auf dem Markt; aber das meiste wurde selbst gefertigt, aus alten Klamotten fantasievoll zusammengemustert.
 
Dann kam der Maskenball, zu dem Peter meinte, ihr beide solltet mal „ohne Laura“ ausgehen! Zunächst warst du über Peters überraschenden Vorschlag nicht wenig erstaunt. Hat es einen Zwist zwischen beiden gegeben? Wollte Peter nur ein flüchtiges Abenteuer suchen, oder würde er vielleicht von Laura Abstand nehmen wollen?
Es war dein erster Maskenball; du kamst, kaum daß ihr im Saal wart, aus dem Staunen über das turbulente und bunte Treiben nicht mehr heraus. Und als dann diese schöne Maske in dem eng anliegenden, dem Fell einer schlanken Katze gleichenden, blau und schwarzen Samtkostüm direkt auf dich zukam, da hattest du an ihrem Gang, in der unverkennbaren Art ihrer Bewegungen, ihrer Hinwendung zu dir, sofort erkannt:
- „Es ist Laura!“
Und als dann, hinter ihrer Maske versteckt, Laura zuerst nur mit dir tanzte, gab es hinterher ein deutliches Eifersuchtsdrama. Ihr beide aber wolltet euch diesen Augenblick, auf den Laura im Geheimen sicherlich die ganz Woche über gewartet hatte, dadurch nicht nehmen lassen.
Schon nach dem Einsetzen der Musik zu einem Slow Fox spürtest du, wie sich Laura gleich nach den ersten Takten ganz eng an deinen Körper anschmiegte. Unwillkürlich ging dein Blick über die Tanzfläche hinweg zu der Theke, an der Peter saß, und du fragtest dich mit etwas Bedenken, ob er denn auch gemerkt hatte, daß die schöne Maske, die dich zum Tanz aufgefordert hatte, Laura ist. Doch schon nach der nächsten Drehung hattest du dich ganz in das unerwartete Glück verloren.
Als der Tanz zu Ende war, machtest du Anstalten, mit der gebührenden Verbeugung deine schöne Maske zu entlassen und selbst zu Peter zurück zu gehen. Laura aber blieb vor dir auf der Tanzfläche stehen, faßte deine Hand und sagte:
- „Laß uns doch noch ein wenig weiter tanzen, bitte, bitte!“
Dazu wolltest du dich nicht ein zweites Mal auffordern lassen und nahmst sie sogleich wieder in die Arme. Sie spielten jetzt einen Langsamen Walzer. Wieder stieg für einen kurzen Moment in dir der Gedanke auf, was Peter dazu sagen wird, wenn er mitbekommt, daß du gleich zweimal hintereinander mit ihr tanzt. Noch während du dich zuerst etwas zögerlich umschautest, bemerktest du, wie Laura durch eine spürbare Verstärkung der Druckes in den Armen ganz deutlich das Führen beim Tanzen übernahm und auf einmal in die etwas abgedunkelte Stelle am Ende der Tanzfläche hinstrebte, wohl um sicher zu gehen, ganz aus dem Augen und dem Blickwinkel von Peter weg zu sein.
Eure Körper fanden sich bei der sanft wiegenden Melodie wieder eng aneinander. Laura legte ihren linken Arm um deine Schulter, bei den nächsten Drehungen dann noch enger um deinen Hals, sodaß sich auch eure Wangen zart berührten.
Und als sie dann noch einen Tango aufspielten, da hatte Laura dich auch noch um diesen dritten Tanz gebeten. Hättest du dir noch heute Morgen träumen lassen, so nah und zärtlich mit Laura zusammen zu sein?
Inzwischen war sicher, daß Peter auch gemerkt hatte, wer sich hinter der mit dir tanzenden Maske versteckte. Von weitem konnte man ihm förmlich ansehen, wie wütend er darüber war, daß diese Maske ihn gar nicht beachtete und bis dahin nicht ein einziges Mal zum Tanz aufgefordert hatte.
Laura aber hatte dich nach dem dritten Tanz bei der Hand genommen und zu einen Glas an die Bar geführt. Dir liegen ihre heiteren Worte heute noch wie damals im Ohr:
- „Ferdi, Ferdi, mein Lieber, laß uns auf unsere ewige, liebe Freundschaft anstoßen!“
´Unsere ewige, liebe Freundschaft´ also! Peter, der sich inzwischen auch von seinem Platz erhoben hatte und gerade mit einer anderen Maske tanzte, ließ plötzlich seine Tanzpartnerin stehen, kam mit einem feuerroten Kopf herbeigeeilt, schnappte sich Laura vor deinen Augen weg, zerrte sie auf den Tanzboden und schwirrte derart heftig mit ihr umher, daß es dir weh tat.
Du hast dann enttäuscht vor den beiden perlenden Gläsern gesessen und traurig vor dich hingedöst, als auf einmal eine andere Maske vorbeihüpfte. Die schnappte sich eins der beiden noch halb gefüllten Gläser und kippte den Inhalt mit einem einzigen Schluck hinunter. Dann drehte sie vor dir eine Pirouette, gab dir einen flüchtigen Kuß auf die Wange, hängte sich bei dem Nächstbesten ein und verschwand mit ihm auf der Tanzfläche...
Nach dieser Ballnacht hat es eine Weile eine Art Funkstille zwischen dir und Peter gegeben. Zunächst aber gelang es dir, einige Male mit Laura allein zu sein, bei gemeinsamen Theaterabenden und Konzerten. Doch als Peter dahinter kam, ermahnte er dich erneut an dein Versprechen und forderte dich eindringlich auf, wie er sagte:
- „die Finger von ihr zu lassen“.
Laura ist dann auch immer seltener und eines Tages gar nicht mehr zu einem weiteren heimlich verabredeten Rendezvous ohne Peter gekommen.
 
 
 
© Rudolf Engel – Vorveröffentlichung dieser Episode aus dem Roman
„Laura oder auf der Suche nach der verlorenen Liebe“
mit freundlicher Genehmigung des Autors in den Musenblättern 2011
Redaktion: Frank Becker