In aller Unschuld

Max Kruse - "Vorfrühling"

von Frank Becker
Eine Miniatur der Liebe
 
Max Kruse (*1921) erinnert sich ganz zart, ganz liebevoll an das Jahr, in dem ihm das überwältigende Gefühl der ersten Liebe einen neuen, beglückenden Lebenshorizont zeigte. In seinem Roman - man liest ihn an einem einzigen sonnigen Nachmittag, wird ihn aber gewiß wieder lesen - nimmt er die Rolle des Ich-Erzählers ein, nennt sich Peter, ist aber mit allen geöffneten Gedanken und beschriebenen Gefühlen ganz er selbst. Als eines von sieben Kindern ist er 1936 von der überforderten Mutter vorübergehend schon zum zweiten Mal in einem Kinderheim untergebracht worden, wo er zwar unter Heimweh leidet, es ihm aber auch gut geht und wo er die Kameradschaft Gleichaltriger kennenlernt. Vierzehn ist Peter, noch ein Knabe in den Augen der Erzieher, doch bereits auf der Schwelle zum jungen Mann. Das erfährt er, als die hübsche Christl für einige Wochen des ausklingenden Winters ins Heim zieht und in ihm diesen unbekannten Sturm der Gefühle auslöst, ein Feuer entfacht, das süß und schmerzlich brennt.
 
Sehnsüchte, die ihm noch fremd sind, ergreifen Besitz von dem 14-jährigen – und von seinem Zimmerkameraden Günther, der sich ebenso scheu um das hübsche Mädchen mit dem bezaubernden Wesen bemüht. Die kleine Rivalität endet rasch – bald wird erkennbar, daß sich Christl zu Peter hingezogen fühlt. Der Dämpfer, den die Freundschaft der Knaben dadurch bekommt, ist nur von kurzer Dauer. Max Kruse erzählt diese für sein Leben entscheidende Episode so dicht, daß man das Herzklopfen Peters, das Glühen seiner Wangen selber zu spüren glaubt und man sich mit ebenfalls flatterndem Herzen an die eigenen ersten Schwärmereien, Verliebtheiten, an die heimlichen Berührungen und zarten Küsse erinnert. Da ist nichts aufgesetzt, der Autor spielt auch nicht die heute so beliebte Karte der adoleszenten Erotik aus. Er kann das, denn er beherrscht die Erzählkunst, das Vermitteln idealer (ja, das gab es mal) Gefühle auch ohne diese billige Krücke.
 
Unsere beiden Verliebten finden sich für Augenblicke, die ihnen eine lebenslange Freundschaft schenken werden. Dann treibt sie das Schicksal auseinander. In einem dankenswerten Epilog erzählt Max Kruse, was aus den Personen seines kleinen Romans im wirklichen Leben geworden ist.   
Mit diesem schmalen, nichtsdestoweniger kostbaren Bändchen hat der als Kinderbuchautor bekannt gewordene Max Kruse eine Perle der Liebesliteratur geschaffen.

Beispielbild

Max Kruse
Vorfrühling
 
Roman

© 2006/2007 List Verlag
112 Seiten, Kartoniert
€ 6,95 [D], € 7,20 [A], sFr 12,90
ISBN-10: 3548607349
ISBN-13: 9783548607344
 
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Die gebundene Ausgabe ist vergriffen, aber antiquarisch noch zu haben.