Sommerzeit - Krimizeit ! (Teil 2)

Empfehlungen

von der Musenblätter-Redaktion

Foto © Frank Becker

Sommerzeit - Krimizeit

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Was macht das Reisefieber, liebe Leser? Haben sie schon die Koffer gepackt? Jetzt aber noch schnell zum Buchhändler, bevor es losgeht und Lektüre bunkern! Hier kommt der gestern an dieser Stelle versprochene zweite Teil unserer Krimi-Empfehlungen. Dabei sind diesmal ein paar Tips zu Büchern des Dortmunder grafit Verlages, der eine Vorreiter-Rolle bei den Regionalkrimis für sich beanspruchen kann. Wer hätte nicht mit diebischem Vergnügen z.B. die Dattelner Romane um das "Ekel" gelesen, mit denen Leo P. Ard und Reinhard Junge wie Werner Schmitz mit seinen Ruhrgebiet-Krimis und Theo Pointner mit den Bochumer Kriminalromanen frischen Wind in die Welt von Mördern und Kommissaren gebracht haben.

Von Theo Pointner ist auch der Roman um die Bochumer Kriminalkommissarin Katharina Thalbach, ihren Chef KHK Wielert und die Mannschaft des KK 11, den wir Ihnen heute empfehlen möchten:
"Highscore"
. Scheinbar unabhängig voneinander sterben in Bochum in einem Swingerclub ein Mann an Gift und im 500 km entfernten Strausberg eine Frau durch eine Explosion in einem Leichenwagen. Und doch findet die Kommissarin heraus, daß
beide Taten etwas gemeinsam haben: an den Computern beider Opfer wurde von dem geheimnisvollen Täter etwas verändert. Mord als Strategie-Spiel. Der Fall zieht Kreise, Chemnitz,  Berlin und Utrecht. Als Katharina erkennt, daß sie es mit einem ausgefuchsten Computer-Cracker zu tun hat, sucht sie die Hilfe des legendären Hackers Hinnerk Harms auf der Hallig Hooge... Pointners äußerst spannende Geschichte ist mit raffiniert gewobenen Handlungsfäden, in denen auch Katharinas Leben sich aufregend entwickelt, ein prickelnder Lesegenuß.
Theo Pointner "Highscore", grafit Verlag, 347 Seiten, TB, 9,95 €

Seit einiger Zeit hat der grafit Verlag (und nicht nur der, wie sie weiter unten lesen können) den hohen Norden und seine begabten Krimi- Schriftsteller entdeckt. "Morden im Norden" heißt mit schwarzem Humor die Reihe, in der bereits die Romane der dänischen Autorin und Edgar Allan Poe-Preisträgerin Kirsten Holst ihren festen Platz haben und in der Pentti Kirstiläs finnische Thriller einen Claim abstecken. Mit Jógvan Isaksen und seinem Roman "Endstation Färöer" hat grafit nun den ersten und bisher einzigen Kriminalroman von den stürmischen Färöer-Inseln im Nordatlantik an Land gezogen.
Ungemütlich wird es für den Journalisten Hannis Martinsson in Tórshavn, der Hauptstadt des
dänischen Vorpostens, als er dem Tod seiner Kollegin Sonja Pætursdóttir auf den Grund gehen will. Der Leser weiß, das es Mord war und als sich Sonjas Freund Hugo auf der Treppe das Genick bricht, ist auch für Hannis klar, daß mehr dahinter steckt. Bevor er die Polizei von seinem Verdacht überzeugen kann, bekommt er zweimal mächtig was auf den Schädel. Steckt die Besatzung eines  Schoners aus Paraguay dahinter, der im Hafen von
Tórshavn ankert? Was hat Sonja herausgefunden, das ihr den Tod einbrachte? Isaksen hat einen knallharten Detektivroman geschrieben, unterhaltsam, mit gutem Plot und unterschwelligem Humor. Kann man nicht nur auf einer Nordlandreise lesen.
Jógvan Isaksen "Endstation Färöer", grafit Verlag, 252 S., TB, 8,95 €

Der Piper Verlag hat sich  durch seine gebundenen Erstausgaben und die Taschenbuchreihe "Boulevard"
auf dem Krimi-Sektor eine hervorragende Position verschafft. Ein besonderer Renner ist dabei die Kommissar Kluftinger-Reihe der beiden Kemptener Volker Klüpfel und Michael Kobr, deren
Erfolgsausgaben jetzt als Taschenbücher auf den Markt kommen. Gebunden sind die Allgäu-Krimis "Milchgeld",  "Seegrund", und "Erntedank" erschienen, als erstes Taschenbuch ist jetzt in der Reihe "Boulevard" Kommissar Kluftingers erster Fall "Milchgeld" zu haben. Die Altusrieder Idylle wird jäh durch einen brutalen Mord zerrissen - Dr. Philip Wachter, Lebensmittelchemiker einer Molkerei ist in seiner Wohnung erwürgt worden. Ausgerechnet Kluftinger, der den Geruch des Todes nicht erträgt, muß ermitteln. Als Kluftinger den Mörder Andreas Lutzenberg schließlich mit eingeschlagenem Schädel auffindet, werden finstere Hintergründe und ein handfester Skandal offenbar. Der lebensnahe Ton, den die Autoren ihrem Roman geben, ihre intime Kenntnis von Menschen und Orten des Allgäu und die von ihnen gezeichneten authentischen Figuren machen "Milchgeld" zum Lesevergnügen der besonderen Art.
Klüpfel & Kobr "Milchgeld", Piper Boulevard, 310 S., TB, 7,20 €

In der Reihe "Piper Nordistika" erscheint als deutsche Erstausgabe "Selbstjustiz", der Debütroman der schwedischen Juristin Tove Klackenberg. Schon lange haben sich skandinavische, besonders schwedische Autoren in die Herzen deutscher Krimi-Leser geschrieben, denken wir an Henning Mankell, Maj Sjöwall/Per Wahlöö, Håkan Nesser oder Arne Dahl.
Tove Klackenberg nutzt die Kenntnisse, die sie als Rechtsanwältin und Staatsanwältin im
schwedischen Justizapparat hat sammeln können. Sie stellt mit der jungen Staatsanwältin Svea Lundström eine Ermittlerin vor, die nicht nur hübsch und zielstrebig ist, sondern auch von dunkler Hautfarbe, was ihr im rückständigen Nordschweden die Arbeit nicht unbedingt leichter macht. Sie soll in Sveg, einem gottverlassenen Nest, merkwürdige Unglücksfälle und Sabotageakte aufklären, deren Opfer sämtlich selber Täter von Verbrechen sind, für die sie nie vor Gericht gestelt wurden. Selbstjustiz der damaligen Opfer? Svea sticht in ein Wespennnest und bringt sich selbst in Gefahr. Tove Klackenberg verbindet mit spannend und nicht ohne deftigen Humor erzählter Handlung einen Exkurs in die jüngere schwedische Geschichte der Lappen und Samen und eine plastische Beschreibung der Landschaft Nordschwedens und ihrer Bewohner. Die gut entwickelten Rollen der Figuren des Romans, eine Liebesgeschichte unserer hübschen Heldin und der Weg zur Lösung von Mord und Totschlag machen das Buch höchst lesenswert.
Tove Klackenberg, "Selbstjustiz", Piper Nordistika, 332 S., Leinen m. Schutzumschlag und Lesebändchen, 19,90 €

Zu Detlef Opitz´ Roman "Der Büchermörder", den er selbst "Ein Criminal" untertitelt, gehörte eigentlich ein gerüttelt Maß an Parallel-Lektüre, denn die nach wirklichen Begebenheiten erzählte Geschichte des Pfarrers Johann Georg Tinius
(1764-1846), der zwei Morde begangen haben soll, um seine Büchersucht befriedigen zu können, verlangt nach Sekundär-Literatur. Auch ist "Der Büchermörder" kein Kriminalroman im eigentlichen Sinne, dennoch soll ihm hier ein angemessener Platz eingeräumt werden, denn der von Opitz neu recherchierte Fall der beiden realen Morde nebst ihren bis heute nicht vollständig geklärten Umständen ist so spannend wie ein Kriminalroman. Daß Opitz selbst bei den unerhört aufwendigen Recherchen zum Dieb wurde, was er in seiner Danksagung unverhohlen und augenzwinkernd einräumt, sei nur am Rande erwähnt. Wer sonst als ein Bibliomane könnte die Beweggründe eines aus nämlichen Motiven zum Straftäter gewordenen anderen Bibliomanen nachvollziehen?
Der 1764 als Sohn geringer Eltern in Staakow/Niederlausitz geborene nachmalige Pfarrer/Magister Johann Georg Tinius zeichnete sich durch seine ungewöhnliche intellektuelle Begabung und seine Liebe zur Literatur, besser gesagt: zu Büchern aus. Im Laufe seiner beiden Ehen sammelte er eine private Bibliothek von (hier sind sich verschiedene Quellen recht uneins) 17.000 oder gar bis zu 60.000 Bänden an. Dazu verbrauchte er das Vermögen seiner Ehefrauen, trieb Handel mit wertvollen Dubletten, unterschlug Kirchengelder und erschlug schließlich, so die Beschuldigungen vor Gericht, eine Witwe und einen Kaufmann, um mit deren Geld seine Büchersucht weiter befriedigen zu können. Tinius wurde in einem Indizienprozeß zu 12 Jahren Haft verurteilt, hat seine Schuld aber nie zugegeben. Detlef Opitz hat aus dem Stoff einen opulenten Roman gemacht, der saftig in der Sprache, kundig und eloquent erzählend, mit einer Menge Witz und zeitgenössischen Seitenhieben, Marginalien und gekonnten Frechheiten ein wortgewaltiges opus magnum geworden ist - und Zweifel an der Täterschaft Tinius´ aufkommen läßt. Nur ein Hilfsdienst einen Bibliomanen für einen anderen? Ein Buch, zu dem unbedingt ein bequemer Sessel und eine Flasche Wein gehört.
Detlef Opitz "Der Büchermörder", Eichborn Berlin, 354 S., geb. m. Schutzumschlag und Lesebändchen, 24,90 €   

Weitere Informationen der oben genannten Verlage unter: www.grafit.dewww.piper-verlag.de und www.eichborn-berlin.de