Der Fall Barschel- Ein Buch rüttelt an der Grabesruhe

Heinrich Wille - "Ein Mord, der keiner sein durfte"

von Frank Becker
Der Fall Uwe Barschel und die Grenzen des Rechtsstaates

Der Titel des Buches, dessen Erscheinen übrigens lange von der Schleswiger Oberstaatsanwaltschaft und wer weiß, vielleicht auch von interessierten politischen Kreisen verhindert wurde, impliziert ein Verbrechen - den Mord an Uwe Barschel, der erst wenige Tage vor seinem mysteriösen Tod als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zurückgetreten war. Vorausgegangen war ein politischer Skandal von bis dahin in Deutschland kaum dagewesen Dimensionen, bei dem im wahrsten Sinne im Dreck gewühlt und mit Dreck geworfen wurde. CDU (mit Ministerpräsident Uwe Barschel) und SPD (mit Gegenkandidat Björn Engholm) ließen 1987 im Schleswig-Holsteinischen Landtagswahlkampf kaum einen schmutzigen Trick und keine Möglichkeit zu intrigieren aus, um den jeweiligen Gegner öffentlich zu diskreditieren. Uwe Barschels verlogenes "Ehrenwort", als die Schmutzkampagne falscher Anschuldigungen gegen Engholm öffentlich wurde, brach nicht nur ihm politisch das Genick. Auch Engholm mußte abtreten, als ruchbar wurde, daß er selbst an der Intrige gegen sich selbst teilgenommen hatte, um wiederum Barschel bloßzustellen.

Der "ins Bodenlose gestürzte" (Aust) Barschel entzog sich der Öffentlichkeit unmittelbar nach seinem Rücktritt durch einen Urlaub auf Gran Canaria, fliegt jedoch wenige Tage später nach Genf, um angeblich einen "Herrn Roloff" zu treffen, der ihn entlasten könne. Er steigt am 10. Oktober 1987 im Hotel Beau Rivage ab und wird am Morgen des 11. Oktober von zwei Journalisten, die sich Zutritt zu seinem Hotelzimmer verschafft haben, tot und fast vollständig bekleidet in der Badewanne gefunden. Die Umstände des Todes, bei dem Gutachten zufolge mindestens eine weitere Peron anwesend gewesen sein muß - vorsichtig formuliert - gaben von Anfang an Rätsel auf, und obwohl die Schweizer Kriminalpolizei eine Selbsttötung annahm, bestanden sowohl die Angehörigen Barschels und die Staatsanwaltschaft Kiel auf einer genaueren Untersuchung. Gerichtsmediziner geben gegensätzliche Gutachten ab, bejahen mal einen Mordverdacht, dann einen Unfall. Von Anfang an wird nach Kräften vertuscht.

U.a. auch Heinrich Wille wird noch fünf Jahre später als Chef der Staatsanwaltschaft Lübeck mit nachträglichen Ermittlungen betraut, die dann doch immer wieder auf Widerstände seitens der Politik stoßen. Er will nachweisen, daß Barschel keineswegs durch einen Unfall oder Suizid gestorben ist, sondern umgebracht wurde. Zu viele Spuren weisen darauf hin, daß Geheimdienste wie z.B. die DDR-StaSi, der USA oder anderer Staaten die Finger im Spiel gehabt haben könnten. Immerhin hatte Barschel die Finger in internationalen Affären (Iran-Contra), im Waffenhandel mit Südafrika und Israel und vermutlich auch in geheimen Verhandlungen mit der DDR. Doch alle Ermittlungen laufen trotz eindeutiger Indizienlage durch fehlerhafte oder unterlassene Spurensicherung und -auswertung, durch
verschwundene Beweismittel in der Schweiz und politische Hemmnisse in Deutschland ins Leere. Heinrich Wille hat akribisch aufgezeichnet, wieso Barschel einem Mord zum Opfer gefallen sein muß und nicht etwa einen Selbstmord so raffiniert inszeniert haben kann, um noch im Tod seine Gegner ins Unrecht zu setzen, wie oft behauptet wurde.

Der Fall wurde wie der Mord an Olof Palme und der an John F. Kennedy und wie weitere politische Mordfälle bis heute nicht gelöst, die Spuren sind immer weiter erkaltet. Es wird Leute geben, die daran auch nicht interessiert sind. Heinrich Willes engagiertes, zugleich erschreckendes und mit Spannung zu lesendes Buch aber rüttelt an der Grabesruhe. Ich bezweifle zwar, daß diese Tat je aufgeklärt werden kann - wiewohl ich es mir wünsche.

Beispielbild


Heinrich Wille
Ein Mord, der keiner sein durfte

© 2011 Rotpunktverlag
382 Seiten, Klappenbroschur, mit Personenregister, Vorwort von Stefan Aust
24,- €

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