Kameen - Der Augenlust frönen

Eine Ausstellung der Antikensammlung im Alten Museum auf der Museumsinsel Berlin

von Jörg Aufenanger
Jörg Aufenanger
Kameen

Der Augenlust frönen

Sie sind winzig und zählen doch zu den kostbarsten Kunstwerken, die seit der Antike die Menschen begeistern. Die Kameen. Man muß die Augen schon sehr scharf stellen, um zu erkennen, was sie auf einer Fläche von wenigen Zentimetern erzählen, was sie darstellen: So einen lachenden Satyr, der gerade einmal 1,8 Zentimeter mißt und aus einem Achatstein unserem Blick entgegenspringt mit seinem kessen Lächeln, in dem auch Spott mit spielt.


Lachender Satyr Foto:
Johannes Laurentius
Kameen sind zumeist kreisrunde oder ovale in Gold eingefaßte Edelsteine, in die reliefartig mythologische Szenen eingeschnitten sind. Von der Antike bis zum Ende der alten Zeit um 1830 zählten sie zu den begehrtesten Objekten, die von Königshäusern und Adligen gesammelt wurden. Ein passionierter Sammler von Kameen - und auch von im Gegensatz zu diesen vertieft geschnittenen Gemmen - war Goethe. Wie zuvor schon Friedrich der Große erwarb er einen Teil der damals berühmten florentiner Sammlung des Baron Philipp von Stosch, die Winckelmann katalogisiert hatte. Goethe führte die Kleinodien in stillen Stunden seinen Augen zu, zumal sie häufig auch erotische, sehr freizügige Szenen darstellten. Darüberhinaus beschäftigte er am Hof von Weimar eine junge Steinschneiderein, Angelica Facius, die Kopien antiker Kameen anzufertigen hatte.

Davon erfährt man in der Berliner Ausstellung zwar nichts, aber sie verweist darauf, daß man bis auf wenige Ausnahmen die Künstler dieser filigranen Kunst nicht kennt, galten sie doch im antiken Athen und Rom allein als Handwerker. Die ersten Kameen tauchten um 250 vor Christus auf, in der Stadt

Kaiser Augustus Foto:
Johannes Laurentius
Alexandria. Sie dienten sowohl als Schmuck aber auch als Siegel und stellten Bilder von Göttern und Helden dar, dienten dann aber durch diese auch als Legitimation von Macht der hellenischen Herrscher, später dann der römischen. So stellt ein großes Kameo Kaiser Hadrian als Weltherrscher dar, ein anderes den Kaiser Claudius göttergleich als Jupiter, Tiberius kriegsgottgleich, ein weiteres Augustus in der Fülle seiner Macht als Friedens- und Wohlstandskaiser. Dessen Ebenbild mußte um 1800 auch zur Verherrlichung Napoleons herhalten.
Kameen waren also nicht nur Inbegriff von Luxus, sondern auch von Machtfülle. Daher rührt auch der ein wenig überzogene Titel der Ausstellung „Mythos und Macht“. Schließlich ließen sich gar die preußischen Könige - aber eher phantasielos - als Ahnengalerie in Stein schneiden, während Katharina die Große, als sie zur Zarin gekrönt wurde, sich als triumphierende Minerva abbilden ließ.

Zu sehen sind aber auch einfach nur Figuren der Mythologie, wobei sich auf wenigen Zentimetern oft dramatische Szenen abspielen. So bildet eine Kamee den halbnackt lagernden Perseus ab, der seinen Verfolgerinnen die blutrote Fratze der Medusa entgegenhält. Solch Farbigkeit der Kamee wurde vor allem dadurch erreicht, daß die Schneider Edelsteine verwendeten, die in ihren Schichten verschiedene Tönungen besaßen. Ferner sieht man eine nackte Muse, die eine bärtige Maske vors Gesicht hält, und immer wieder Kleopatra, die eine Schlange an ihrem Busen nährt, sowie Herkules, der den nemäischen Löwen erwürgt.

Silenen und Nymphe
spielen mit Bacchus
Foto: Johannes Laurentius
Gelegentlich wurde die Kameentechnik auch für größere Gefäße verwendet, so für die berühmte Tazza Farnese, eine doppelseitig gravierte Schale von 20 Zentimetern Durchmesser, deren Unterseite das Schreckenshaupt der Medusa abbildet, die Innenseite den bärtigen Gott Plutus, vor dem Isis lagert. Diese Schale ist in Berlin indes nur in einer Kopie zu sehen. Einer der wenigen noch existierenden Steinschneider aus Idar-Oberstein hat sie angefertigt, dessen Arbeitsprozeß in einem Video zu bestaunen ist.

All die anderen Kostbarkeiten lagern seit mehr als hundert Jahren im Tresor der staatlichen Museen, werden nun zum ersten Mal bis Ende Oktober ausgestellt. Danach werden sie wieder im Dunkel der Tresore verschwinden. Gut drei Monate nur kann man also wie einst Goethe seiner Augenlust frönen.
Ausstellung bis 28.Oktober 2007, Antikensammlung im Alten Museum auf der Museumsinsel Berlin

Weitere Informationen unter: www.smb.museum.de