Düster

Nordlicht - Mörder ohne Reue ("Den som dræber")

von Frank Becker
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Die mißlungene TV-Antwort
auf Jussi Adler-Olsen
 
Nordlicht – Mörder Ohne Reue
(Den som dræber)
Thriller-Serie
 
Das Skelett einer jungen Frau wird auf einer Waldlichtung nördlich von Kopenhagen gefunden. Für die ehrgeizige und überzogen selbstbewußte Katrine Ries Jensen ist es ihr erster eigener Fall als stellvertretende Leiterin der Mordkommission. Am Tatort muß sie zum Schutz eines Kollegen die Schußwaffe einsetzen, dennoch wird ihr der Fall entzogen. Das läßt sich Katrine nicht gefallen, sie beginnt ohne Auftrag zu recherchieren. Dabei stößt sie auf einen Artikel des Kriminalpsychologen Thomas Schaeffer und bittet ihn um Hilfe. Katrine und Thomas erkennen, daß ein Serientäter am Werk ist. Es gelingt Katrine, Thomas zu überzeugen, wieder für die Polizei zu arbeiten, was er wegen einer früheren fatalen Fehleinschätzung eigentlich nie wieder tun wollte. Während der Ermittlungen gerät Katrine in die Gewalt des Mörders und wird, schwer traumatisiert, in letzter Sekunde gerettet.

Genau hier setzt meine heftige Kritik an diesem und auch an den weiteren dennoch ungemein spannenden Filmen der Serie an, „Lehnenkraller“ wie man so sagt. Fesselnd sind sie, düster, gut gefilmt und glänzend besetzt. Keine Frage. Doch: eine Häufung von Fällen wie diese in einem friedlichen Land wie dem 5-Millionen-Einwohner-Staat Dänemark entspringen einzig schrecklichen Phantasien - und eine Figur wie die der Katrine Ries Jensen, der ermittelnden Kommissarin, ist zwar für einen Thriller gut ausgedacht, aber in einer Filmserie, die auch nur den geringsten Anspruch auf realitätsnahe Handlung erhebt, ist ein solcher Charakter völlig untragbar. Doch die Serie will als Spiegel der Wirklichkeit wahrgenommen werden. Nicht nur, daß die Polizistin grundsätzlich Anweisungen ihres Vorgesetzten zuwiderhandelt, sie sich nicht in den Ermittlungs-Apparat einfügt, sich in kritischen Situationen alleine und völlig ungeschützt in unkalkulierbare Gefahrensituationen begibt, Tätern den Rücken zudreht und sich im Einsatz ohne jedes auch noch so kleine bißchen Vernunft verhält, macht die Figur im Grunde untragbar. Sie vermischt Privates und Dienstliches in unzulässiger Weise, tobt ihre längst für eine dauernde Dienstunfähigkeit ausreichenden, jedes Mal neuen selbst verschuldeten Traumata hemmungslos in Fehlentscheidungen, Aggressionen und enervierender Selbstgerechtigkeit aus, läßt sich Mal um Mal vom Täter überrumpeln – und hat ständig eine Haarsträhne vor den Augen bammeln, die mich als Zuschauer zusätzlich maßlos wütend macht. Grundsätzlich werden in akuten Notsituationen nicht in der Nähe befindliche Einsatzkräfte zum Ort des Geschehens beordert, die Ermittler begeben sich selber hin, verlieren Zeit und kommen, so soll das dramaturgisch sein, zu spät. Das alles nervt auf Dauer. Die Serie des dänischen Senders
TV2 ist – hört man aus dänischen Quellen – kein Erfolg beim Publikum und wurde auch von der dortigen Presse ins Kreuzfeuer genommen.
 
Daß die Filme laut FSK-Freigabe ab 16 Jahren geeignet sein sollen, ist mir völlig unverständlich. Die geschilderten Verbrechen sind so brutal und so grauenhaft, ihre filmische Darstellung von einer so perversen Liebe zum widerlichen Detail geprägt, daß sie im Fernsehen, zumal einem öffentlich rechtlichen wie dem ZDF gar nicht gezeigt werden sollten. Der Zugang Jugendlicher zu Fernsehprogrammen ist doch gar nicht zu kontrollieren. Was soll der bigotte Hinweis zu Beginn? Viele könnten alleine durch die Bilder selbst traumatisiert werden. Allein die 1. „Den som dræber“ und die 6. Episode „Schatten der Vergangenheit“ bergen soviel Perfidie und explizite Grausamkeit, daß man grundsätzlich die ganze Serie ablehnen muß.
Aber zurück zur Serie an sich: gut gefilmt, mit interessanten Charakteren gut besetzt und vom Lokalkolorit stimmig sind die sechs Episoden unter dem griffigen Originaltitel „Den som dræber“ (Die, die töten) im Deutschen mit dem hergeholten Serien-Titel „Nordlicht – Mörder ohne Reue“ versehen worden. Wer denkt sich so etwas Dummes aus? Reine Effekthascherei. Minuspunkt. Wie oben erwähnt, wäre eine Figur wie die der Katrine Ries im wirklichen (Polizei-) Leben aufgrund ihrer pathologischen Traumatisierung (sie gerät in jeder zweiten Episode in die Gewalt psychopathischer Serienmörder) völlig untragbar. Ihre technische Assistentin, deren große Liebe – ich glaube in der zweiten Episode – einem solchen Psychopathen zum Opfer fällt und grausam umkommt, ermittelt ebenfalls ab der nächsten Folge fröhlich pfeifend an Leichen und Leichenresten weiter. Unglaubhaft, schlecht gemacht. Minuspunkt. Ihr Chef Bisgaard (Lars Mikkelsen), einer der wenigen wirklichen Sympathieträger, läßt sich auf der Nase herumtanzen, anstatt die für alle Kollegen gefährliche Kommissarin zu suspendieren. Und in der letzten Folge, der 6. (s.o.) schließlich lassen die Autoren den einzigen wirklich sympathischen Charakter, den Psychologen Thomas Schaeffer (Jacob Cedergren) auch einem irren Mörder zum Opfer fallen, der ihn in die Luft sprengt. Minuspunkte in Folge – oder sollte ich sagen: in Serie?
 
Was geht, frage ich mich und frage ich Sie, liebe Leser, in den Köpfen solcher Autoren vor? Die Ideen stammen von Elsebeth Egholm und Stefan Jawoski, die Drehbücher von verschiedenen Autoren. Müssen sie sich, anscheinend einem ungeschriebenen Gesetz skandinavischer Krimis folgend, in immer größere, immer fürchterlichere Mordtaten verirren, in immer schlimmeren Perversionen austoben? Oder sind es die Leser und Zuschauer, die nach immer mehr Gewalt, Blut, Brutalität, zersägten Leichen, irren Psychopathen, aus der Bahn geratenen Kriminalisten und Düsternis ohne Maß verlangen? In was für einer Welt leben wir? Niemand darf sich wundern, wenn auf U-Bahnhöfen junge Burschen willkürlich die Köpfe zufällig vorbeikommender Menschen zertreten. Die Justiz hat das längst hingenommen und behandelt diesen einer fatalen Medien-Entwicklung folgenden Umgang mit dem Leben und der Würde der Menschen als Kavaliersdelikte.
 
Die Serie „Den som dræber“ ist leider nichts weiter als ein neuer Auswuchs dessen. Ich lehne sie, auch als überzeugter Leser der Romane von Jussi Adler-Olsen - nach anfänglicher Neugier als Fernseh-Unterhaltung ab. Über die DVD-Edition für gefestigte Erwachsene kann man reden. Weitere Details der Filme erspare ich hier und jetzt mir und Ihnen. Das ZDF war schlecht beraten, diese Filme ins Programm aufzunehmen. Da schaut man doch lieber den „Tatort“ der ARD an.
 
Nordlicht – Mörder Ohne Reue - Den som dræber (OT) - Genre: Thriller (Serie)
6 DVD - 6 Folgen -ca. 34,99 € UVP - FSK: 16 – Laufzeit insgesamt: ca. 540 Min
Sprache: Deutsch / Dänisch
Stamm-Besetzung:
Katrine Ries Jensen: Laura Bach - Thomas Schaeffer: Jacob Cedergren - Magnus Bisgaard: Lars Mikkelsen - Adam Krogh: Carsten Bjørnlund - Mia Vogelsang: Lærke Winther - Stig Molbeck: Frederik Meldal Nørgaard - Benedicte Schaeffer: Iben Dorner
und andere
Regie: Birger Larsen, Nils Nørløv, Kasper Barfoed
Drehbücher: Siv Rajendram Eliassen, Morten Dragsted, Rikke de Fine Licht, Torleif Hoppe, Per Daumiller, Karina Dam nach Ideen von Elsebeth Egholm und Stefan Jawoski
Im Verkauf seit 18.11.2011

Weitere Informationen unter: www.edel.com