Laudatio (Gaudatio) für Toto Blanke (2)

von Erwin Grosche

Erwin Grosche Foto © Frank Becker
Laudatio (Gaudatio)
für Toto Blanke (2)


Paderborn bleibt er treu, soweit ein Jazzmusiker treu sein kann. Wer Jazz, Tango und Folklore liebt, muß sich auf Reisen begeben und damit meine ich nicht Lippstadt, Delbrück und Atteln. Tango spielt man in Buenos Aires, Blues in Berlin, Jazz in Prag. 1974 folgen Tourneen durch Europa, Afrika und später durch Südamerika, deren Musikkulturen großen Einfluss auf das musikalische Schaffen von Toto Blanke ausüben. Auch das Goetheinstitut schickt ihn als Botschafter um die Welt. Er sitzt im Auto, im Flugzeug, in kühlen Garderoben und wartet. Wartet auf den Techniker für den Soundcheck, die hoffentlich zahlreich erscheinenden Zuschauer, den Veranstalter mit der Gage und auf das Essen und den Wein danach. Geschlafen wird wenig, es geht weiter. Er lebt im Hotel, macht die Nacht zum Tage, gibt sich den Vergnügungen des Augenblicks hin. Wenn er mal zuhause in Paderborn ist, läßt er Schützenfest und Libori aus und ist selten in Kirchen und auf Fußballplätzen zu sehen. Er hat keine Zeit. Er wird berühmt.  
 
1975 nimmt Blanke mit Joachim Kühn (E-Piano), Charlie Mariano (Saxophone), John Lee und Gerry Brown (Bass und Schlagzeug), eine Traumbesetzung, seine erste eigene LP „Spiders Dance“ auf. Das schwarze Cover mit der Frau im Spinnennetz gefällt ihm nicht. Phonogram druckt auf alle LPs den berühmten silbernen Sticker von Toto mit herausgestreckter Zunge. 5 Jahre und 10 LPs später gründet Toto Blanke seine eigene Plattenfirma und nimmt von nun an im eigenen Aliso Tonstudio, unabhängig und künstlerisch frei, LPs und CDs auf. Ein wichtiger Schritt für den experimentierfreudigen und unkommerziellen Musiker.
Aber zurück. 1976 gründet Blanke zusammen mit Jasper van´t Hof „Electric Circus“. Die gleichnamige LP gilt als Meilenstein der Jazzgeschichte. Wie schrieb ein Journalist über sein Gitarrenspiel: „Blankes linke Hand. Sie lief über das Griffbrett der E-Gitarre: rasend, planvoll, chaotisch. kreativ, unorthodox. Die Hand eines Neuerers.“ Als andere sich noch mit Old Time Jazz und Swing auseinandersetzten, arbeitete er an einer Synthese von Jim Hall und Jimi Hendrix.“ (Lothar Zygar)
Zu seiner Gruppe Electric Circus gehörten zunächst (1976) Jasper van't Hof und der finnische Drummer Edward Vesala, dem er auch das Stück Minister Ed widmete, später erweiterte er die Gruppe zum Quartett (u.a. mit Dave King (Bassgitarrist), zuletzt mit Tony Lakatos, Heinrich Hock und Norbert Dömling. Die Gruppe, die auch mit Stu Goldberg und Trilok Gurtu erweitert wurde, war auch in der DDR, in Italien, Österreich und Polen auf Tournee. Toto arbeite mit vielen Musikern aus vielen Ländern zusammen und die bereits erwähnten waren in etwa die, deren Namen ich noch aussprechen konnte.
 
1978, Toto Blanke ist 42 Jahre alt, traf er auf einem Festival in Wrozlaw den Prager Gitarristen Rudolf Dasek. Die Legende erzählt, daß Toto dort in einem Hotel in einer Badewanne saß und hörte, wie jemand auf seiner Gitarre spielte. Rudolf Dasek. Die Konzertwelt ist begeistert. „Die beiden haben so etwas, wie wenn Bruckner und Sibelius einander begegnen.“ schreibt eine Zeitung.
„Aus der Vereinigung zweier Riesen muß nicht notgedrungen ein Ungetüm hervorgehen. Toto Blanke und Rudolf Dasek sind der beglückende Beweis zweier gitarristischer Giganten, die sich in geradezu idealer Weise ergänzen …die musikalische Erfolgstrategie dieser beiden Vollblutmusiker liegt in der geradezu frappierenden Toleranz der musikalischen Größe des Partners gegenüber.“ (Pforzheimer Nachrichten, März 1982)
Sie gastieren auf der ganzen Welt, aber auch in Pforzheim, Delbrück und Kassel.
1984 spielen die beiden die LP „Kirchenmusik“ in der Paderborner Bartholomäuskapelle ein. Bei dieser Produktion wird die besondere Raumakustik einbezogen. Eine außergewöhnliche CD entsteht 1984 zusammen mit Tonmeister Steffen Seithel. „Dompropst Leo Drewes tat gut daran, dem Duo für wochenlange Proben die Kapelle aufzuschließen. Das seit langem Aufregendste, was ich auf dem Plattenteller gehört habe“, lobt Manfred Stienecke vom Westfälischen Volksblatt.
„Uns ist ein Roß entsprungen“, „Lied des Heiden“, „Tanz der Kirchenmäuse“ heißen u.a. die frechen Titel.
 
Später, 1986 nutzt Toto Blanke auch seine Kontakte zur internationalen Gitarrenszene um Paderborn ein Gitarrenfestival zu schenken. Die Größen der Zunft treffen sich in Paderborn und essen nach den Konzerten gemeinsam bei Lopez oder anderen Mäzenen. Einmal macht Stani auch Suppe. Bei diesem Anlass war ich leider dabei.
 Im Jahre 2000 kommt vielleicht die schönste CD des Duos „Mona Lisa“ heraus. Eine Sammlung von eigenen Stücken aber auch mit Interpretationen von Werken von John Coltrane, Django Reinhard und anderen. Ekkehard Czerwinsky nimmt diese CD auf. Später gründet Blanke gemeinsam mit dem Sänger Raul Montero und wechselnden Bandoneonspielern das „Trio Tango.“ 1996 nahm er mit dem Gitarristen und Charangospieler Diego Jasca die CD „Sur“ auf.
In den letzten Jahren ist Blanke vornehmlich mit Solo-Produktionen in Erscheinung getreten. Seit kurzem dreht er Kurzfilme, die man auf YouTube sehen kann. Er arbeitet dabei mit dem charismatischen Schauspieler und Allrounder Bogdan Fitak zusammen, aber auch mit anderen, die sich zufällig bei ihm sehen lassen. Kurze Filme über Macht und Missbrauch. Fesselnd und absurd. Die Musik zu seinen Filmen komponiert er natürlich selbst.
Zuletzt machte Toto Blanke im Rahmen der Willy-Lucas-Ausstellung auf sich aufmerksam, als er als Großneffe des Künstlers einen Film über diesen beziehungsweise über dessen Landschafts- und Städtebilder gedreht hat.
 
c. Danke Toto Blanke
Nach Anhören Deiner rund 50 Einspielungen muß ich sagen, daß deine Musik etwas gitarrenlastig ist….nein, ich fang nochnmal von vorne an.
Danke Toto Blanke, für deine schöne Musik auf der LP Bella Donna (aufgenommen im Tonstudio Tarara, einer Garage in Borchen)
Danke für Stücke wie: Dalis Himmelfahrt, See you Tomorrow, San Ignacio, Bella Donna, Billi und den Regentropfen fallen auf die Stadt.
Was kaum einer weiß, daß du singen kannst und das auch auf sächsisch, bayrisch und österreichisch.
Du hast neue Klänge gefunden und immer auch mit Herzblut komponiert:
Du bist Erfinder der Nähmaschinengitarre. Welch ein lustiger Name für ein überhaus großes Hörerlebnis.
„Du läßt ein Gitarrensolo rückwärts laufen, erzeugst dabei lange Töne, indem du mit dem sogenannten E-Bow über die Gitarrenseiten streichst und schaffst- auf der von dir erfundenen Nähmaschinengitarre- orgelähnliche Sequenzen mit Hilfe eines Volumenpedals und eines Echogerätes.“ (Peter Bölke)
Du bist nicht nur der gastfreundlichste Mensch, den ich kenne, du hast sogar Kuchen zu Hause. Du kannst verwöhnen mit Witz und Verstand.
Du hast noch ein Jungenherz. Das du mit Gogo, Wolfgang Minge, Thomas Lotz, und mir Kindermusik gemacht hast, da haben wir schon Glück gehabt.
Du bist immer noch fast der einzige Jazzgitarrist dieser Stadt der einen Bart hat.
Mit dir kann man über Frauen und die Liebe reden und du bist mit dem Thema auch noch nicht durch.
Danke, daß du mir, als mir die Lieblingstasse von Billi kaputt gegangen ist, sofort deine Lieblingstasse von Billi geschenkt hast. Das ist schon rührend.
Du hast Haltung und einen großen Respekt vor jedem anderen. Du bist ein bescheidender Mensch, der viel zu viele Ideen hat, um sich auf ein Lob ausruhen zu können.
Das man in der Welt glaubt, wir Paderborner wären alle so wie du, damit kann man leben.
Bewahr dir dein Tangoherz, deine Herzensgüte, deine Schlagerseele und dein Rhythmusgefühl. Nimm uns mit in das Fools Paradise. Going Crazy alter Freund und pass auf deinen Borsalino auf.
An dieser Stelle sollten eigentlich alle Anwesenden sich einen weißen Bart unter die Nase klemmen, wobei natürlich unser Bürgermeister fein raus gewesen wäre…aber wir haben dann aus Kostengründen darauf verzichtet.
„Ich würde alles noch mal so machen, aber nur mit den gleichen Leuten“, sagtest du.
Wir sind dabei. Das ist versprochen.
 


© 2011 Erwin Grosche