Die Erde gehört uns allen

von Hanns Dieter Hüsch
Daß einige vieles und die meisten weniger oder wenig haben
Kann man damit erklären
Daß einige bedeutend und die meisten unbedeutend sind
 
Daß einige fast alles und die restlichen fast gar nichts haben
Kann man damit erklären
Daß einige klug und die restlichen dumm sind
 
Daß einige mächtig und die anderen ohnmächtig sind
Kann man damit erklären
Daß einige verschlagen und die anderen die Geschlagenen sind
 
Daß einige immer mehr haben wollen und viele immer weniger haben
Kann man damit erklären
Daß einige über Leichen gehn und viele unter den Leichen sind
 
Daß einige über alle regieren und diktieren
Kann man damit erklären
Daß einige Geschichte machen wollen und mit allen anderen Geschichte gemacht wird
 
Zwar heißt es
Vor Gott sind alle Menschen gleich
Und human das möchte jeder gerne sein -
Aber welcher Bedeutende will sich schon mit einem Unbedeutenden
Welcher Kluge will sich schon mit einem Dummen
Welcher Verschlagene will sich schon mit einem Geschlagenen
Auf eine Stufe stellen
Wer will das schon?
 
Die Erde gehört uns allen
So wie der Sand den man am Grabe freundlich uns nachwirft
Allen gehört
Aber im Leben gehören
Die Armen den Reichen
Die Dummen den Klugen
Die Geschlagenen den Verschlagenen
Die Gläubigen der Kirche
Die Schwarzen den Weißen
Die Naiven den Raffinierten
Die Schweigenden den Schwätzern
Die Friedfertigen den Streitsüchtigen
 
Die Erde aber könnte uns allen gehören
Wenn dein Haus auch mein Haus
Mein Geld auch dein Geld
Dein Recht auch mein Recht
Mein Los auch dein Los
Dein Kleid auch mein Kleid
Mein Glück auch dein Glück
Dein Leid auch mein Leid
Wäre.
Teile und herrsche nicht!
Aber wer kann das schon?

 
Hanns Dieter Hüsch
1965
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus dem Band "Den möcht´ ich seh´n..." in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung