Im Rausch der Droge Musik

Arild Andersen Group - "Electra"

von Frank Becker
Im Rausch der Droge Musik
 
Mit einem einzigen 18 Sekunden währenden Hauch (aus Arve Henriksens Trompete) wird die Erde geschaffen, und das Leben auf ihr beginnt mit Klage und Lüge. Der norwegische Bassist Arild Andersen hat ein ergreifendes Epos über das mythologische Elektra-Thema komponiert, ursprünglich für eine Aufführung des "Spring Theatre" Athen - danach mit hochkarätigem Ensemble und griechischem Chor in seiner Osloer Wohnung und Studios in Kopenhagen, Montpellier und Athen für das Album aufgezeichnet, das eindrucksvoll erneut den hohen Rang unterstreicht, den er mit seinem die Genres übergreifenden Jazz seit mehr als drei Jahrzehnten manifestiert.
 
Es ist die Geschichte Elektras, Tochter des Agamemnon und der Klytaimnestra, die ihren Bruder Orestes auf Geheiß des Apollon zum Mord an der Mutter und deren Geliebten Aigisthos anstiftet, nachdem diese beiden den Agamemnon getötet haben. Homer, Aischylos, Sokrates und Euripides haben sich des dramatischen Themas schon in der Antike angenommen. Voltaire und Vittorio Alfieri arbeiteten den mythischen Stoff in der Zeit der Vorklassik literarisch auf, Ernst Krenek, Jean-Paul Sartre, Gerhart Hauptmann und Hugo von Hofmannsthal u.a. in der Neuzeit. Schuld und Verstrickung, Tod, Rache, Strafe und Verzeihung geben seit jeher der Philosophie, der Darstellung im moralischen Theater aus unterschiedlichen Gesichtspunkten und der musikalischen Umformung Nahrung.  
 
Arild Andersen hat mit seiner Komposition, deren 18 Szenen sich um ein komplexes zentrales Motiv gruppieren, ein faszinierendes Werk von höchstem ästhetischen Anspruch und Wert geschaffen, das seine Mit-Musiker und die griechischen Sängerinnen mit einem Libretto nach Sokrates kongenial umsetzen. Dem Hörer widerfährt ein intensives tief meditatives Erlebnis, das sich beim wiederholten Genuß zunehmend weiter und tiefer erschließt. Durch den sensiblen Einsatz der Stimmen und von Instrumenten auch außereuropäischer Kulturen wie Tablas, Udu und Djembé wird das Erleben zu einem beinahe überirdischen Genuß der in dieser Dosierung der Sorte weltmusikalischer Jazz nachhaltig berauschenden Droge Musik.
Henriksen, Héral, Vinaccia, Molvær, Aarset und Andersen gelingt mit Inspiration und der Hilfe der berückenden Stimmen des olympischen Chores einfach alles auf diesem Album. Der Orient Indiens verschmilzt mit dem Okzident, Historisch-mythologisches verliert die Zeitgebundenheit. Ein Meisterwerk. Orest wird zur Strafe für seine Tat von den Erynnen in den Wahnsinn getrieben - Arild Andersen hingegen ist durch sein "Electra"- Epos eine Stufe höher auf dem Weg zum musikalischen Olymp aufgestiegen.
Beispielbild

Arild Andersen Group
Electra
 
18 Scenes
 
Arve Henriksen - Trompete
Eivind Aarset - Gitarren
Paolo Vinaccia - Schlagzeug, Percussion
Patrice Héral - Schlagzeug, Percussion, Stimme
Nils Petter Molvær - Schlagzeug-Programmierung
Savina Yannatou - Gesang
Chrysanthi Douzi - Gesang
Elly-Marina Casdas - Chorus
Fotini-Niki Grammenou - Chorus
Arild Andersen - Kontrabaß
 
Produziert von Arild Andersen
© + (P) 2005 ECM Records GmbH
 
Titel:
1. Birth Of The Universe 0:11
2. Mourn 5:18
3. The Big Lie 6:26
4. Chorus I 4:03
5. Electra Song Intro 1:35
6. Electra Song 5:01
7. Electra Song Outro 2:01
8. Chorus II 2:43
9. 7th Background 11:01
10. One Note 0:10
11. Whispers 3:22
12. Divine Command 2:24
13. Clytmnestra´s Entrance 3:24
14. Loud Sound 0:21
15. Chorus III 4:12
16. Opening 9:32
17. Chorus IV 2:24
18. Big Bang 0:32

Gesamtzeit: 1:04:53