Bilder, die Geschichte
mach(t)en Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal
zeigt eine einzigartige Ausstellung zu Herwarth Waldens Berliner Galerie "Der Sturm" (…)
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
(…)
Jakob van Hoddis schrieb diese Verse 1911 in "Weltende", seinem Programmgedicht des Expressionismus. Zu diesem Zeitpunkt existierte Herwarth Waldens (eig. Georg Lewin) Zeitschrift "Der Sturm" neben Franz Pfempferts "Aktion" als Sammelbecken der expressionistischen Literatur schon seit einem Jahr, gegründet im März 1910. Van Hoddis veröffentlichte "Weltende" damals zwar in der Zeitschrift "Der Demokrat", er gehörte aber bereits zum Stamm der Autoren, die in "Der Sturm" publizierten. Zwei Jahre nach der Gründung der Zeitschrift, die von Anfang an graphische Beiträge aller namhaften Künstler der Avantgarde veröffentlicht hatte, eröffnete Herwarth Walden in Berlin die Galerie gleichen Namens, die fortan zum einen junge Künstler der modernen Ausrichtungen und Stile durch Ausstellungen förderte, zum anderen durch deren Vermarktung auch wirtschaftlich erfolgreich war. Was damals durch die Hände Herwarth Waldens und seiner Frau Else Lasker-Schüler - der er übrigens sein berühmt gewordenes Pseudonym verdankte und mit der er von 1903-1912 verheiratet war - und später seiner zweiten Frau Nell Roslund gegangen ist, kann heute als Basis der Moderne des 20. Jahrhunderts gelten.
Bisher hat es weltweit keine umfassende Präsentation von Werken des "Sturm" gegeben. Vieles, was damals den Kunstmarkt revolutionierte, ging später durch die Hetze der kunstfeindlichen Nazis als "entartet" verloren, weiteres durch die Bombenschäden des 2. Weltkrieges. Viele der Kunstwerke wurden in alle Welt verstreut. Und es mag auch so sein, daß niemand den Umfang der Bedeutung des "Sturm" so hinreichend beleuchtet hat, wie es das Wuppertaler Von der Heydt-Museum jetzt mit seiner überwältigenden Ausstellung "Der Sturm - Zentrum der Avantgarde" tut. Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh und Kuratorin Dr. Antje Birthälmer haben erfolgreich alles daran gesetzt, ein möglichst umfassendes Portrait des "Sturm" und seiner Künstler nachzuzeichnen. Mehr als 200 Bilder und Plastiken von 75 Künstlern aus 48 deutschen Museen und Kunstgalerien in Europa und den USA konnten für diese Präsentation zusammengeführt werden. Der erstaunliche eigene Bestand des Von der Heydt-Museums, Dokumente wie Original-Ausgaben der Zeitschrift "Der Sturm" ergänzen die Ausstellung zu einer hervorragenden, man darf sagen einzigartigen, farbenfrohen Schau, die bis zum 10. Juni dort gezeigt wird. Man begegnet Arbeiten von u.a. Ludwig Meidner, Wilhelm Morgner, Will Baumeister, Marc Chagall, William Wauer, Robert Delauney, Lyonel Feininger, Oskar Kokoschka, August Macke, Franz Marc, Raoul Hausmann, Johannes Itten, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Kurt Schwitters und Max Pechstein. Sehen Sie hier nur einige der wundervollen Werke, Bilder, die Geschichte mach(t)en und die - das macht die Ausstellung zusätzlich so besonders - sämtlich durch die Hände Herwarth Waldens gegangen sind.
Zur Ausstellung ist im Eigenverlag des Museums ein hervorragender zweibändiger Katalog (Bd. 1: Bilder, Bd. 2: Materialien) erschienen. Jeder Band ist einzeln für 25,- € zu bekommen, beide Bände zusammen für nur 40,- €. Man kann getrost behaupten, damit ein/das Standardwerk zur Avantgarde und der Geschichte der Galerie und Künstlervereinigung "Der Sturm" in Händen zu halten. Lesen Sie in der kommenden Woche hier eine Analyse der Ausstellung unseres Korrespondenten Rainer K. Wick. Weitere Informationen: www.von-der-heydt-museum.de und www-sturm-ausstellung.de |