Kämpfe auf und vor der Bühne

Julia Penner inszeniert „Der Rosenkrieg“ im Wuppertaler TiC-Theater

von Martin Hagemeyer
Kämpfe auf und vor der Bühne
 
Julia Penner inszeniert „Der Rosenkrieg“
von Warren Adler
im Wuppertaler TiC-Theater


Regie: Julia Penner – Bühne: Iljas Enkaschew – Kostüme: Wiebke Fichte.
Besetzung: Jonathan Rose: Dennis Wilkesmann – Barbara Rose: Isabelle Rotter – Goldstein / Auktionsgast / Arzt / Botschafter: Joachim Rettig – Thurmont / Auktionatorin / Kritikerin: Beril Erogullari.
 
Was tut ein Rezensent, wenn ihm ein Stück nicht gefällt? So geschehen bei der neuesten Premiere im Theater in Cronenberg (TiC), „Der Rosenkrieg“, das durch die Verfilmung des Stoffs mit Kathleen Turner und Michael Douglas bekannt geworden ist. Er kann sich in Gemeinheiten ergehen und etwa eine Überschrift wählen wie „Zerfleischt, aber blutleer“ – so er denn Freund von Gemeinheiten ist. Denn obwohl am Ende der Inszenierung von Julia Penner die Eheleute Jonathan und Barbara Rose nach mancherlei Gehacke am Boden liegen und zudem das Thema Fleisch im Verlauf des Abends mehr als einmal ganz wörtlich eine unappetitliche Rolle spielt: An Lebendigkeit fehlt’s immer mal wieder. Gags sollen frech klingen, wirken teils aber nur aufgesetzt; und wenn Dennis Wilkesmann nach diversen Gift- und Mordattacken, gerichtet gegen seine Noch-Ehefrau Isabelle Rotter oder auch von ihr ausgehend, aus heiterem Himmel feststellt: „Ich liebe dich immer noch“ und das für keinerlei Erläuterung wert befindet: Dann ist, könnte man ätzen, auch der Textkörper „bleich wie ‘ne Leich‘“, wie einer der schlechten Kalauer des Abends lautet.
Aber gerecht würde man den Künstlern damit natürlich nicht.


Isabelle Rotter, Dennis Wilkesmann - Foto © Martin Mazur

Hat man vielleicht ein persönliches Problem mit den Schauspielern? Nicht nur, daß so etwas natürlich tunlichst aus einer Beurteilung herauszuhalten wäre: Daran liegt es nicht, das Unbehagen. Dennis Wilkesmann ist ein toller Schauspieler, das konnte man schon vor seinem Solo in Julia Penners „Macho Man“ sehen: als er aufbrausender Gegenspieler des „Parasiten“ war, in Schillers gleichnamiger Stückadaption. Auch als Jonathan öffnet er sich ganz seiner Rolle und hat das Publikum mit seinem Charme fest im Griff. Isabelle Rotter im feuerroten Kleid ist als Barbara angemessen böse und füllt den Raum mit ihrem Besitzanspruch auf das – bisher noch – gemeinsame Haus: „Das ist mein Reich, und hier regiere ich!“ Vielleicht mag man ihre Boshaftigkeit etwas weniger nachempfinden als die ihres eher erst reagierenden Gatten – aber der Rezensent ist schließlich auch ein Mann. Daran wird’s liegen.
Schön tückisch gelingt Beril Erogullari ihre Anwältin Thurmont, deren klangschalen-unterstützte Ruhe ihre Hinterhältigkeit erst so richtig strahlen läßt. Wie sie in mehreren Rollen, überzeugt auch Joachim Rettig als Jonathans Rechtsbeistand Goldstein – gerade sein eher harmlos-beiläufiges Auftreten macht den teuren Ratgeber umso gerissener.
 
Die Regie? Wieder Fehlanzeige… auf der Suche nach dem Grund für den Unmut. Zwar tut Julia Penner nichts gegen manche Textschwächen, wie erwähnt; auch werden die Running Gags arg aus- bis überreizt – von Jonathans Sammelfiguren-Tick bis hin zum unvermeidlichen Ableben beider Haustiere: Auch für Film-Unkundige kann sehr bald nur noch ungewiß sein, wann und auf welche Weise Katz und Hund denn nun ins Jenseits befördert werden, um Frauchen oder Herrchen im Ehekrieg zu triezen. Aber Julia Penner trifft offenbar klare Entscheidungen: Ob es das Bühnenbild mit eigener Treppe ist (Iljas Enkaschew), die zur zwar nicht sichtbaren, aber dennoch genutzten weiteren Spielebene führt. Oder ob es ums Austarieren zwischen indirekter und ausgeführter Bühnen-Aktion geht: Waghalsig, aber sehenswert (Chapeau, Frau Rotter!) besonders der Entschluß, Barbara vor ihrem mittlerweile axtschwingenden Ehegespons buchstäblich auf einen Kronleuchter an der Decke fliehen zu lassen – während Jonathans geliebter Fuhrpark zuvor nur angedeutet Bekanntschaft mit einem Vorschlaghammer macht. Sprich: laut krachend vor der Tür.
 
Vielleicht, denkt der Rezensent, ist er einfach ein Weichei.
Also doch ein Lob – mangels Klarheit darüber, was es denn ist, das stört?
 
Manchmal hilft in solcher Aporie aber auch der Zufall. Im Programmheft abgedruckt ist das Gedicht „Sachliche Romanze“ von Erich Kästner – ein still-lakonischer Abgesang auf „abhanden gekommene“ Gefühle, in dem Kästners „neue Sachlichkeit“ nicht nur Stil ist, sondern Thema, und die Atmosphäre prägt. Das ist es. Nämlich: Das eben ist es ganz sicher nicht, was „Der Rosenkrieg“ hätte. Stil, Stille, Stimmung: All das sucht man vergeblich bei diesem Stück.
Zur Vorlage würde all das zwar auch überhaupt nicht passen. Aber so recht angenehm macht diese Erkenntnis das Ganze auch nicht.
 
Weitere Informationen: www.tic4u.de