„Ratten- und Mäusegezücht ...“

Wolfhard Klein - „Mausetod! Eine Kulturgeschichte der Mausefalle“

von Friederike Hagemeyer
„Ratten- und Mäusegezücht ...“
 
Von Friederike Hagemeyer
 
Das wohl am intensivsten und am längsten von Menschen bejagte Raubtier ist - nein, nicht der Wolf, sondern - die Maus. Im Neolithikum werden die Menschen zu Bauern; sie kultivieren Getreide und legen Vorräte für schlechte Zeiten an - für Mäuse ein „gefundenes Fressen“. Der Kampf zwischen Mensch und Maus beginnt und dauert bis heute an.
 
Kulturgeschichte der Mausefalle
 
Wolfhard Klein schildert in seinem Buch „Mausetod! Die Kulturgeschichte der Mausefalle“, erschienen 2011 bei Philipp von Zabern, die schon Jahrtausende währende Verfolgung der kleinen Nager. Seit 30 Jahren befaßt sich der Autor, im Hauptberuf Journalist, mit Mausefallen und hat in seinem Buch alles Wissenswerte rund um dieses Fanginstrument zusammengetragen. Den Anfang der Geschichte macht ein Foto einer steinzeitlichen Ritzzeichnung, die sich „mit etwas Fantasie“ wie der Verfasser zugibt, als älteste Darstellung einer Mausefalle deuten lässt. Am vorläufigen Ende der Entwicklung steht ein elektronisches Gerät, das dem Fänger eine SMS schickt, wenn das Tierchen in der Falle sitzt. Jede technische Neuerung, so erfahren wir, wird zur Verfeinerung der Jagdgeräte eingesetzt -  eine Technikgeschichte der besonderen Art. Klein bietet darüber hinaus auch Interessantes zu den Opfern und ihren Jägern; er schildert wie sich im Laufe der Zeit höchst angesehene Berufe wie Fallenhändler und „Kistenmacher“ etablierten, aber auch weniger geachtete Mäusefänger im Frühjahr über Land zogen und ihre Dienste anboten.
 
Eine Schutzheilige gegen Mäuse
 
Wenn aber gar nichts mehr half, dann flehte man Heilige um ihre Hilfe an. Die Heilige Gertraud von Nivelles (gestorben 659) ist die zuständige Schutzheilige gegen Ratten und Mäuse. In Berlin-Mitte gibt es heute noch ein Gertrauden-Standbild auf der 1895/96 errichteten Gertrauden-Brücke über den westlichen Spreearm. Die ca. 3 Meter hohe Bronzestatue, 1896 von Rudolf Siemering modelliert und in Lauchhammer gegossen, erinnert an das Gertraudenhospital, das im 15. Jahrhundert vor den Toren Alt-Cöllns jenseits der Spree lag. Auf dem Sockel des Standbildes weist ein Spruch auf die Funktion der Heiligen hin:
„Ratten- und Mäusegezücht
machst Du zu nicht,
doch den Armen im Land
reichst Du die Hand.“
 
Mäuseplagen
 
Welche Katastrophe über die Menschen hereinbrach - und übrigens auch heute noch hereinbrechen kann, - wenn durch eine Mäuseplage die komplette Ernte vernichtet wird, auch das beschreibt Klein, und er führt Beispiele aus allerneuester Zeit an: 2007 fraßen ca. 2 Milliarden Mäuse in der chinesischen Provinz Hunan 1,6 ha Ackerfläche kahl. Etwa zeitgleich vernichteten rund 750 Millionen Mäuse in den spanischen Regionen Kastilien und Leon die ganze Ernte. Für uns ach so moderne, mitteleuropäische Stadt-Menschen kaum noch vorstellbar.
 
Labormäuse
 
Daß Mäuse auch zu Forschungszwecken gehalten werden, ist allseits bekannt. Und selbstverständlich werden alle nur denkbaren Vorkehrungen getroffen, um „Ausbrüche“ zu verhindern. Nicht umsonst hat das Gebäude, in dem in Berlin-Steglitz die Labortiere gehalten werden den Spitznamen „Mäusebunker“ bekommen. Von einer ganz besonders ausgefeilten Schutzmaßnahme berichtet 1988 Der Spiegel: Genmanipulierte Aids-Mäuse werden selbstverständlich hinter modernstem Sicherheitsglas gehalten. Doch „obwohl die Forscher das Mäusegefängnis für absolut sicher halten, haben sie rundherum eine letzte Defensivlinie errichtet - mit Speck beköderte handelsübliche Mausefallen.“ (Klein, S.120)
 
Ein gut recherchiertes Buch
 
Es ist ein höchst interessantes, gut recherchiertes, teils auch vergnügliches Buch entstanden, das uns Lesern die menschliche Kulturgeschichte aus einem ganz speziellen Blickwinkel außerordentlich kenntnisreich näher bringt. Kaum zu glauben, was Wolfhard Klein an Texten, Sprüchen, Fakten und vor allem auch an Abbildungen ausgegraben und zusammengetragen hat. Sie reichen von der schon genannten steinzeitlichen Ritzzeichnung über Comics aus der „Micky Maus“, Gemälden und Kupferstichen vom 15. bis ins 20. Jahrhundert, alten Fotos und nicht zuletzt Reklameanzeigen von Mausefallenherstellern bis in die Gegenwart, auch sie in Diktion und Gestaltung ganz besondere, teils amüsante Zeitdokumente.
Als Fazit bleibt nur zu sagen: „Mausetod!“ ist ein äußerst empfehlenswertes Buch!
 
 
Wolfhard Klein -  „Mausetod! Eine Kulturgeschichte der Mausefalle“
C 2011 Verlag Philipp von Zabern, 204 Seiten, 19,5 x 19,5 cm; 66 Farb-, 62 s/w-Abb.; Flexicover; ISBN 978-3-8053-4319-0
19,90 €
 
Weitere Informationen:  www.zabern.de