Herrn Weyhers Apfelkuchen

Eine Paderborner Schwärmerei

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Der Fudschijama Paderborns

Der Fudschijama liegt nicht in Paderborn, trotzdem gilt er als einer der schönsten Berge der Welt. Wegen seines symmetrischen Vulkankegels und seiner weißen Bergspitze erinnert er sehr an Herrn Weyhers Apfelkuchen. Wer über Kultur in Paderborn sprechen will, kommt an Herrn Weyhers Apfelkuchen nicht vorbei. Er ist der Weg und das Ziel. Wer diesen Apfelkuchen einmal gegessen hat, möchte ein besserer Mensch werden, mehr noch, er möchte Paderborner werden. Unbeeindruckt von anderen Kuchenexoten überzeugt Herrn Weyhers Apfelkuchen, ähnlich wie der Fudschijama, durch eine schlichte Schönheit. Hier lenkt nichts ab auf der Suche nach Glück und Geborgenheit.
Herrn Weyhers Landgasthof liegt im Haxtergrund, fernab von dem Treiben der Paderborner City. Im Haxtergrund sagen sich noch Hasen und Füchse „Gute Nacht“ und wissen gar nicht, daß sie eigentlich Täter und Opfer sind.

Hier lebt die Familie Weyher und hat für die kulturelle Geschlossenheit Paderborns wahrscheinlich mehr getan als jedes andere Groß-Event. Ich meine so ein Ereignis wie der NRW-Tag läßt oberflächlich betrachtet keine Wünsche offen, kann aber das kulturelle Selbstverständnis einer Kleinstadt um Jahre zurückwerfen.
Da wird geklotzt und geklettert, daß einem ganz bunt vor Augen wird. Das Schöne an Herrn Weyhers Apfelkuchen ist, daß man ihn entdecken darf. Hier wird nichts angepriesen und groß aufgedrängt. Hier wird man von Herzen empfangen und mit Respekt behandelt. Welch sympathische Geschäftsidee, einfach durch Natürlichkeit und Freundlichkeit zu überzeugen, denn so ist Paderborn: natürlich und freundlich.

Herrn Weyhers Apfelkuchen ist großzügig geschnitten, aber protzt nicht herum und macht Tatütata. Die große Kunst des Kuchenportionierens liegt doch darin, das Kuchenstück klein genug zu lassen, um noch den Wunsch nach einem zweiten Stück Apfelkuchen zu erhalten und es doch wiederum groß genug zu gestalten, um jeden Kuchenesser instinktiv an seine Grenzen zu mahnen. Auf dem stabilen Kuchenboden ruht nach der Apfelschicht die Streuseloberfläche mit dem Schlagsahnehäubchen. Dieser 3,776 cm hohe Aufbau über dem Boden erinnert in aller Demut an den 3 Tausend 776 Meter hohen Fudschijama, den höchsten Schichtvulkan Japans. Welch ein Zufall. Natürlich zitiert auch unbewußt das Sahnehäubchen, welches auf  der Streuseloberfläche thront den ewigen Schnee, der auf der Spitze des heiligen Fudschijama ruht. Wer beeinflußte hier eigentlich wen? Was hier auf einem Teller thront, versüßt das Leben und macht glücklich. Man kann sich vorstellen, wie demutsvoll der Kuchenesser zu der Kuchengabel greift, um dann dieser vollkommenen Versuchung nachzugeben. 

Lange war es den Frauen nicht gestattet, den Berggipfel des Fudschijama zu besteigen. Da war Herr Weyher zum Glück weitblickender. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mal mit einer Freundin aus Düsseldorf, wo ja im letzten Jahr der NRW-Tag stattfand, zu Herrn Weyher fuhr, um ihr dort die wahre Identität der Paderborner anhand von Herrn Weyhers Apfelkuchen zu demonstrieren. Ich weiß noch, wie herablassend sie im Vorfeld war, da es ja auch in Düsseldorf einen guten Apfelkuchen geben würde. Ich weiß noch genau, wie Herr Weyher den Apfelkuchen mit Schlagsahne vor ihr hinstellte und sie schon bereit war, ihn nach einem Bissen herunter zu machen, als wäre dies die übliche Qualität eines Kuchens, die man erwarten könne, als sie den ersten Bissen tat und plötzlich, anstatt diesen Apfelkuchen herunterzumachen, ihn mit einem lauten Mhmm lobte. Ich weiß noch wie erst sagte: „Dieser Kuchen ist ja …
...und dann nur noch „Mhmm“ machte. Laut und sinnlich „Mhmm“ machte und alles um sich herum vergaß. „Er ist vollkommen“, flüsterte sie. „Der Apfelkuchen übertrifft alle meine Erwartungen. Ich habe es nicht für möglich gehalten, daß ein Apfelkuchen so schmecken kann. Er schmeckt genauso, wie ein Apfelkuchen schmecken muß.“
Ich habe dabei Herrn Weyher angeschaut und er hatte nur bescheiden gelächelt.
„Er ist die Wahrheit“, hatte sie noch gesagt und war dann in lauter „Mhmms“ verschwunden, wie der Apfelkuchen in der Schlagsahne.
Wenn man über Kultur in Paderborn spricht, sollte man den Fudschijama nicht vergessen und den Apfelkuchen von Herrn Weyher. NRW-Tage kommen und gehen, der Apfelkuchen von Herrn Weyher bleibt, und das ist als kulturelle Besonderheit mehr, als manch andere Stadt zu bieten hat.

Gaststätte Weyher

Herrn Weyhers Apfelkuchen - die Sahne müssen sie sich denken!

Haxtergrund 8 - 33100 Paderborn
0 52 51 - 6 24 20

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Öffnungszeiten
täglich von 10:00 - 22:00 Uhr
Freitag Ruhetag
Foto: Gaststätte Weyher



© Erwin Grosche - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007