Chantilly

von Wolf Christian von Wedel Parlow

Chantilly

Der kleine Platz am Ende der Rue Barillerie.
Ein Spielzeugladen, ein Salon de Thé.
An einer Stange vor dem Laden hängt,
Aus Blech die Außenhaut, die Pedale aus Metall,
Ein Spielzeugauto rotlackiert als Kundenfang.

Der kleine Sitz gepolstert, wie maßgeschneidert
Für den Enkel, ich seh ihn schon, mein Bilderbuch,
In einer Wolke aus Staub und Unrat um die Ecke
Pesen.  Wir nehmen Platz, das Auto im Visier.
Crepe à chantilly bestelle ich, sie die naturelle,

Ich dachte an Likör, der Wirt bringt sie mit
Sahnehäubchen. Die Studentin schräg hinter
Uns, ihr Ausschnitt lockt, was suchen meine Augen
dort? Zwei Großmütter mit Enkelin erzählen,
Wie es früher war. Vier Männer unter der Markise

Beim Kartenspiel, der Wirt schaut zu, der Name
Hollande fällt und der des Präsidenten Sarkozy,
Sie sind nicht einig, sie sollen wählen, sie sind
Das Volk. Sie läßt nicht ab, umkreist das rote
Auto zu Fuß und mit den Blicken. Ich denke an

Das Gewicht und daß ich es tragen müßte
Bis zu den drei Engeln, die zu Gast bei Abraham,
wie Marc Chagall erzählt im Museum droben,
Wo unser Auto steht. Wir zahlen, der Wirt fragt:
Vous n'aimez pas le chantilly? Mais oui, sag ich

Und schluck' das Häubchen mit einem Happs.



Wolf Christian von Wedel Parlow



© Wolf Christian von Wedel Parlow, 19. 5. 2012