Aufklärung über Nazi-Kunst

Werner Peiner im „KunstForumEifel“ in Gemünd

von Rainer K. Wick

Werner Peiner - Elisabeth Peiner 1928 - Foto © Rainer K. Wick
Aufklärung
über Nazi-Kunst

Werner Peiner
im „KunstForumEifel“
in Gemünd
 
Bisher ist der beschauliche Kneipp-Kurort Gemünd in der Eifel, der nur wenige Kilometer Luftlinie von der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang entfernt liegt, nicht durch sonderlich bemerkenswerte künstlerische Initiativen aufgefallen. Das „KunstForumEifel“ in den Räumlichkeiten der ehemaligen alten Schule bietet der Eifeler Heimatmalerei eine institutionelle Plattform, doch bewegt sich das meiste, was dort von Laienmalern und sog. Hobbykünstlern ausgestellt wird, auf einem Niveau, das über einen peinlichen Dilettantismus kaum hinausgeht.
Insbesondere bei Gegnern der Neonazi-Szene sorgt nun eine Ausstellung für Aufregung, die dem Werk von Werner Peiner gewidmet ist, einem im „Dritten Reich“ hoch angesehenen und gefeierten Staatskünstler. Im Mittelpunkt der von Dieter Pesch, dem verdienstvollen früheren Direktor des Rheinischen Freilichtmuseums in Kommern, und dessen Sohn Martin kuratierten Ausstellung steht die Frage, ob Peiner von den Nationalsozialisten zur Gefolgschaft verführt wurde, oder ob er – zumal in seiner Rolle als Lehrer – selbst Verführer gewesen ist. Damit entziehen sich die Kuratoren, die beide Historiker und nicht Kunsthistoriker sind, bewußt der Frage nach der künstlerischen Qualität und der ästhetischen Relevanz des Peinerschen Œuvres, das sich lange vor der Machtübernahme durch die Nazis entwickelt hatte und das mit dem Ende des Dritten Reiches keineswegs beendet war.
 
Neue Sachlichkeit
 
Peiner wurde 1897 in Düsseldorf geboren und starb 1984 in Leichlingen im Bergischen Land. Sein

Morgen am Rhein bei Kaub 1928  - Foto © Rainer K. Wick
kurz nach dem Ersten Weltkrieg begonnenes Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie konnte er in der erstaunlich kurzen Zeit von nicht einmal zwei Jahren als Meisterschüler beenden. Den Kunst-Ismen der Moderne stand er ablehnend gegenüber, er hielt sie für einen „billigen Bluff“. Hier ergibt sich eine direkte Parallele zum späteren „Lieblingsbildhauer des Führers“ Walter Breker, der Anfang der 1920er Jahren ebenfalls an der Akademie in Düsseldorf studiert hat (siehe die Rezension der Breker-Biografie von Jürgen Trimborn). Peiner orientierte sich vorwiegend an den „alten Meistern“ und deren minutiöser Malweise, auch wenn er im Jahr 1928 eine Reihe qualitätvoller Landschaften im impressionistischen Stil gemalt hat. Mit seiner Vorliebe für eine realistische Kunstauffassung hatte er nicht nur bei seinen privaten Auftraggebern Erfolg – er war in den vermeintlich „Goldenen Zwanziger Jahren“ einer der bestbezahlten Porträtmaler des Rheinlandes –, sondern er fand sich unversehens im Kontext der Malerei der „Neuen Sachlichkeit“ wieder, die der Direktor der Mannheimer Kunsthalle Gustav Friedrich Hartlaub mit seiner programmatischen Ausstellung des Jahres 1925 als Gegenpol gegen die neopathetische Ausdruckskunst des Nachkriegsexpressionismus gleichsam aus der Taufe gehoben hatte. Gleichwohl war die Neue Sachlichkeit keineswegs ein einheitliches Phänomen. Neben den sog. Veristen wie George Grosz, Otto Dix, Christian Schad u.a., die ein schonungsloses Bild der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse mit all ihren Negativaspekten und sozialen Verwerfungen malten, gab es unter den neusachlichen Künstlern auch Vertreter eines Neoklassizismus und eines Magischen Realismus, und Peiner distanzierte sich dezidiert von der „kalten Härte“ (Anja Hesse) der Veristen und tendierte eher zu einer „romantischen“ (Pesch und Pesch) Variante der Neuen Sachlichkeit.
 
Blut-und-Boden-Malerei

Werner Peiner, Afrikanerin 1936 - Foto © Rainer K. Wick
 
Abgesehen davon, daß sein Interesse von Anfang an dem monumentalen Wandbild galt, ein Interesse, das er im „Dritten Reich“ im großen Maßstab in die Tat umsetzen konnte, orientierte er sich in seinen Landschaftsbildern der 1920er und 1930er Jahre deutlich an Pieter Breugel d.Ä., so daß er sich sogar massiven Plagiatsvorwürfen gegenübersah.
Zu einem Schlüsselwerk wurde das Bild „Deutsche Erde“ von 1933, das dem neuen Reichskanzler Hitler noch im Jahr seiner Machtübernahme von der Eifelgemeinde Mechernich zum persönlichen Geschenk gemacht wurde. Dieses Gemälde, das einen pflügenden Bauern zeigt, gilt als Inkunabel der „Blut- und Boden-Malerei“ des Nationalsozialismus und wurde durch zigtausende Reproduktionen […] zur „Ikone der ‚neuen deutschen Malerei’ stilisiert.“ (Pesch und Pesch)
Schon Anfang der 1930er Jahre hatte sich Peiner dem heraufziehenden Nationalsozialismus angenähert, 1937 trat er in die NSDAP ein, ein Schritt, den er – ähnlich wie  Breker – nach 1945 immer geleugnet hat. Im Oktober 1933 wurde er an der inzwischen von Lehrenden wie Heinrich Campendonk und Paul Klee „gereinigten“ Düsseldorfer Kunstakademie zum Leiter der Meisterklasse für Wandmalerei, Glasmalerei, Mosaik und Gobelinweberei berufen. Ein dreimonatiger Sonderurlaub führte ihn 1935 nach Ostafrika. Die Erhabenheit der Landschaft und die dort lebenden Massai, die in Übereinstimmung mit der Rassenideologie der Nazis zu afrikanischen „Herrenmenschen“ stilisiert wurden, inspirierten ihn zu zahlreichen, zum Teil großformatigen Afrika-Gemälden.
 
Von Görings Gnaden
 
1936 gelang es ihm mit persönlicher Unterstützung seines Mäzens und Gönners Hermann Göring, seine Klasse aus der Düsseldorfer Akademie auszugliedern und in seiner Wahlheimat Kronenburg, einem idyllischen Eifeldorf unweit der belgischen Grenze, anzusiedeln. Es entstand die „Landakademie Kronenburg der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf“, die später als „Hermann Göring-Meisterschule für Malerei“ von der Akademie in Düsseldorf unabhängig und 1943 in „Meisterschule der Malerei Werner Peiner unter der Schirmherrschaft des Reichsmarschalls Hermann Göring“ umbenannt wurde. Der mit Peiner befreundete und ebenfalls in Kronenburg lebende Architekt Emil Fahrenkamp entwarf das im Heimatschutzstil gehaltene, eine quasi-klösterliche Atmosphäre ausstrahlende neue Schul- und Werkstattgebäude, das 1938 eingeweiht wurde. Als Leiter der Schule und maßgeblicher Lehrer praktizierte Peiner, der inzwischen zu einem der herausragenden Propagandakünstler des Dritten Reichs avanciert war, einen autokratischen Führungsstil. Die überaus strenge Ausbildung zielte nicht auf freikünstlerische Entfaltung der Schüler (einer von ihnen, Willi Sitte, wurde später zu einem der prominentesten Staatskünstler der DDR), sondern auf Unterwerfung unter die Kunstdoktrin des NS-Staates und die ästhetische Auffassung des „Meisters“. In Kronenburg entstanden zahlreiche Werke für Görings privates, seit Kriegsbeginn mit Beutekunst gespicktes Anwesen Carinhall, und in der Schule, in der handwerkliche Tugenden höher rangierten als künstlerische Kreativität, wurden die monumentalen Gobelins für Hitlers Reichskanzlei in Berlin entworfen, so u.a. die sieben mehr als 50 Quadratmeter großen Darstellungen bedeutender Schlachten – von der „Schlacht im Teutoburger Wald“ über „Friedrich der Große bei Kunersdorf“ bis hin zur „Tankschlacht bei Cambrai“. Es handelt sich um Bilder, die ganz im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie Kampf und Krieg glorifizieren. Gleichwohl tragen die „extreme Erstarrung der bildnerischen Formen“ (Hesse) sowie der Schematismus der massenhaft ins Bild gesetzten Figuren nichts dazu bei, die Dramatik des Schlachtengetümmels glaubhaft zu transportieren.


Dieter und Martin Pesch mit einer Reproduktion Werner Peiners "Deutsche Erde" von 1930 - Foto © Rainer K. Wick
 
Tiefer Fall
 
1944 setzte Hitler den Maler auf die Liste der „gottbegnadeten“ Künstler. Schon im selben Jahr mußte die Schule in Kronenburg angesichts der näher rückenden Westfront aufgegeben werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Karriere Werner Peiners beendet. Die Bewohner Kronenburgs verweigerten ihm, der sich – wie Breker – nach 1945 stets als unpolitischer Künstler inszeniert hat und doch bis zu seinem Lebensende nicht von nationalsozialistischem Gedankengut lösen konnte, die Rückkehr in den Eifelort. Stilistisch blieb er in den fast vier Jahrzehnten bis zu seinem Tod einem obsoleten Malstil – „etwas zu genau und pedantisch“, wie Goebbels schon 1939 kritisch angemerkt hatte – verpflichtet.
Die Ausstellung in Gemünd, die vorwiegend Arbeiten aus der Zeit vor 1933 und nach 1945 zeigt, demonstriert den erschreckenden, bis zum religiösen Kitsch reichenden Abstieg eines begabten, wenn auch durch und durch konservativen Malers, der keineswegs ein „Verführter“ war, sondern der sich dem NS-Regime bewußt angedient und in seiner prägenden Lehrerrolle zweifellos auch als „Verführer“ der ihm anvertrauten Kunststudenten, die geradezu „verpeinerisiert“ wurden, gewirkt hat.


Werner Peiner,  Friedrich der Große bei Kunersdorf ,1939 - (Die Kunst im Deutschen Reich 1940)

Dies ist das Fazit der von den Kuratoren erarbeiteten, nicht um Rehabilitation eines exemplarischen NS-Künstlers, sondern fast 80 Jahre nach der „Machtergreifung“ um Aufklärung bemühten Ausstellung. Das gleiche gilt für die begleitende Buchpublikation, die ergänzend zu den beiden kunsthistorischen Untersuchungen über Peiner von Anja Hesse (1995) und von Nikola Doll (2009) eine Fülle von kaum bekannten, gut dokumentierten Details – auch aus den Nachkriegsjahrzehnten – liefert. Leider ist der Preis dieser broschierten, 172 starken und in schlechter Druckqualität sowie unprofessionellem Layout daherkommenden Veröffentlichung mit 49,99 € alles andere als eine Einladung.
 
Werner Peiner – Verführer oder Verführter

Madonna, um 1970 Foto Rainer K. Wick
 
KunstForumEifel - Förderverein Maler der Eifel e.V. - bis 26.08.2012
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Telefax: 02444 -914556 
 

Das Buch zur Ausstellung
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Dieter Pesch und Martin Pesch: Kunst im Dritten Reich. Werner Peiner- Verführer oder Verführter; GRIN Verlag, München 2012; ISBN 978-3-656-17431-8; 172 S.; 49,99 € (Book on Demand)