Neue Mitte Altona

Norddeutsche Notizen

von Andreas Greve

Andreas Greve - Foto © Arne Weychardt
Norddeutsche Notizen
Neue Mitte Altona


Wenn Raum auf Zeit trifft oder
Stadtplanung als fast unendliche Geschichte  

von Andreas Greve
 
 
Es geht um Städtebau und Architektur, also um Menschenleben. Es geht um 1.600 Wohnungen oder gar 3.500. Es geht um Geld. Es geht um Macht. Es geht um Zeit. Es geht um ein innerstädtisches Areal von 75 Hektar, also im Volkssport-Vergleich rund 100 Fußballfeldern – das entspricht der Größe eines Golfplatzes. Hier soll allerdings nicht Golf gespielt werden, zu diesem Verdacht hat sich noch keiner der Betroffenen hinreißen lassen. Obwohl die Nerven blank liegen.

Architekt André Poitiers nimmt den Oberkörper zu Hilfe, um aus dem Schwung heraus - fast mit Verzweiflung in der Stimme - zu rufen: „Bloß nicht auf die Bahn warten!!“ Schöner kann man den inneren Widerspruch des Projekts und das Unwesen der Bahn nicht zusammendenken. Immerhin soll die Neue Mitte von Altona genau dort entstehen: Im rostigen Gleisbett zwischen den Postanlagen, der Holsten-Brauerei und dem Kopfbahnhof. Aber geht die Bahn oder bleibt sie?
Poitiers hat den Masterplan gemacht hat, der am 14. August im Hamburger Rathaus dem Ausschuß für Stadtentwicklung zur abschließenden Beratung vorliegen wird, bevor er dann zur Abstimmung in die Bürgerschaft - das Hamburger Landesparlament - geht. Viele Bürger von Altona befürchten das Schlimmste: Dann sei alles zu spät! Dann wird keine ihrer über 500 Forderungen berücksichtigt.

Bahnorama: Es geht um alles rechts vom Wasserturm - Foto © A. Greve
Dann wird Altona endgültig „gentrifiziert“. Poitiers hingegen hofft: „Dann fangen wir an!“ Endlich. Er will nach einem Jahr Stillstand „zurück an den Tisch“. Und zwar alle fangen an - auch die Altonaer Mitbestimmungsgruppe mit ihrem ehrenamtlichen Berater Bloem. Das glauben die nicht so recht. Oberbaudirektor Jörn Walter, ranghöchster Hüter des Hamburger Stadtbildes, versteht diese Form von Grundmißtrauen. Er schätzt die kritische Expertise durchaus. Mit eigenen Meinungen sei zu rechnen. Heutzutage und im Jahr 2012 „sei man gut beraten, sich darauf einzustellen.“
Bevor sich Poitiers 2010 an den Wettbewerb für eine Bebauung nördlich des Altonaer Bahnhofs machte, überflog er in einer kleinen Maschine das Areal und die angrenzenden Stadtteile, um Muster und Melodie des Altbestandes per Augenschein zu ermitteln. Dies Manöver lohnte sich, denn sein Büro gewann nicht nur den 1. Preis, sondern er konnte den Aufklärungsflug auch fortan als Anekdote bei Präsentationen, Informationsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und und und anbringen. Bis Mitte dieses Jahres wurden das knapp 140 (!) Termine zu „Neue Mitte Altona“. Städtebau als Trockenübung.
 
Immer nur Bahnhof
 
Abgesehen davon, daß Altona erst spät und widerstrebend zu Hamburg kam, und sich immer mehr in Konkurrenz zu den hanseatischen Pfeffersäcken und Reedern gesehen hat und aus gutem Grund ein

Altonaer Abwechslung: Wohnhäuser in Ottensen
Foto © Andreas Greve
eigenes Rathaus in der Größe des Weißen Hauses und einen vielgleisigen Bahnhof besitzt, ist es einer der beliebtesten Stadtteile und in seiner ganzen Ausdehnung entlang der Elbe gen Westen einer der attraktivsten Hamburger Bezirke. Einwohnerzahl 250.000, also etwa ein Siebtel der
Hansestadt. Das Kerngebiet liegt um den Bahnhof herum, bekannt als jenes Ottensen, in dem sich alles mischt, Menschen wie Häuser, wo Straßen unverhoffte Wendungen nehmen, wo es Plätze gibt, an dem sich Leben sammelt, aber eben auch stille Hinterhöfe, Kirchen in Frieden und Kirchen mitten im Verkehr, alte Fabriken und stillgelegte Industrie und einen prachtvollen Park – die Flaniermeile „Platz der Republik“ - vom elbnahen, schlohweißen Altonaer Rathaus - das vor 150 Jahren als Bahnhof errichtet wurde - bis zum neuen häßlichen Media-Markt-Bahnhof, eigentlich seit den 80er Jahren „ein Kaufhaus mit Gleisanschluß“. Nun soll der Bahnhof ein weiteres Mal weiter nach Norden verschoben werden und hier sieht der Oberbaudirektor seine ihm sehr wichtige grüne Achse, die sich oben in einen drei Hektar großen Park gen Osten öffnen soll. Dies ist nicht ein beliebiges Baugrundstück, sondern ein auf jedem Luftbild erkennbares Stadtgelenk, nicht so groß wie die Außenalster, aber so markant wie etwa Kanäle und Fleete in der City. Als Privatmann möchte Oberbaudirektor Walter – wie so viele – auf einen Fernbahnhof zwar ungern verzichten, aber die Bahn hat gewissermaßen angefangen, als sie mehr und

Selbstbewußtes Auftreten: Das Altonaer Rathaus - Foto © Andreas Greve
mehr Züge nicht mehr bis Altona durchfahren ließ, sondern selbst die Verkehre nach Norden vom Hauptbahnhof abwickelte.
Als die Bahn Teile des Geländes verkaufte – das war zu der Zeit, als sie in einem in Golfplätzen gar nicht mehr umrechenbaren Ausmaß landesweit millionenweise Quadratmeter Bahngrund privat veräußerte - legte die Stadt ihren planerischen Finger auf das Gebiet. Es gehört ihr zwar nicht, aber sie wollte fortan ein Wörtchen mitreden. Polemisch könnte man sagen, daß das Gelände auch nicht der Bahn AG gehörte, sondern historisch gesehen dem Kaiser, dem Staat oder gar dem Volk. Sie kann dafür aber de jure nicht belangt werden – vielleicht, weil der Kaiser schon so lange tot ist.
 
Malen nach Zahlen
 
Das traditionelle – meist drei-, vier-, fünfgeschossige - Arbeiterquartier um den Altonaer Bahnhof ist auch das Altona von Olaf Scholz. Eltern und Großeltern wurden hier geboren. Seit Studententagen lebt er in derselben Wohnung in Altona-Altstadt und bis 2011 vertrat er diese Heimat – immer als Direktmandat! - im Bundestag. Seine Großeltern waren obendrein bei der Bahn. Nun sitzt „König Olaf“ seit März 2011 im Hamburger Rathaus in der Innenstadt. Drei Fußminuten vom Rathausmarkt entfernt das Kontorhaus, in dem sich das Büro von André Poitiers befindet, fünfstöckig mit einer sehr variierten Fassade mit Simsen, Putten und mit Fenstern in nach oben abnehmenden Höhen. Alles ein wenig verstaubt und gut gebraucht, der große Büroraum selbst hat fast französisches Flair. Ein

Rote Tradition: Max-Brauer-Haus der SPD in Altona - Foto © Andreas Greve
Lichthof mit den Geräuschen der Firmen, die zum Fleet liegen. So um die zehn Mitarbeiter gehören zum Büro, meist weibliche und alle eine Idee ruhiger als der Chef selbst, der sogar vom gläsernen Besprechungstisch aufspringt, wenn er nur zeigen will, wie lang ein Meter ist. Er spricht meist schnelle und kurze Sätze. Dafür wiederholt er sie gern ein paar Mal. Der Vorrat ist zwar endlich, aber wenn man die Route durch die Innenstadt richtig legt, kann man etwa alle drei, vier Minuten an einem Entwurf von Poitiers vorbeikommen. Bis zum Jungfernstieg. Den hat er auch gestaltet – bis hinunter an die Binnenalster - und quasi als ein Joint-Venture zwischen der Hansestadt und der „Stiftung lebendige Stadt“, die die ECE ins Leben gerufen hat. (Die ECE gehört dem Versand-Otto-Sohn Alexander, jenem, der mit der Kaufwut von Otto Normalverbrauchern Milliardenumsatz macht, indem er ihnen Shoppingcenter hinsetzt, die die zwar gar nicht wollten, aber dankbar annehmen.) Und zwei Backhus-Filialen hat Poitiers am Jungfernstieg designed und dafür zuerst mildes Lächeln geerntet und später Aufmerksamkeit, weil er damit den Trend zum Trendbäcker losgetreten hatte. Quasi ein Ladendurchbruch. Für Poitiers sind Architekturbüros ein wenig wie Musik-Bands: Erst übt man lange im Keller, dann kauft man seine eigenen CDs sogar noch selber auf, aber irgendwann ist es soweit: „Man spielt sich so langsam nach oben“. Er stammt aus einer norddeutschen Tischlerfamilie und so spricht er auch: direkt und unverstellt. Er hat auf einer Bootswerft gelernt, in Braunschweig Architektur studiert und ein Jahr beim Weltarchitekten Norman Foster in London gearbeitet. Auf die Frage, wie viel Stadtplanung mit Gefühl zu tun hat, antwortet Poitiers ganz ohne Zögern: „Viel. Sehr viel! Auch Enttäuschung“. Nur wer Emotionen hat, kann sie auch transportieren. „Das merken die Leute sofort, wenn es nur Malen nach Zahlen ist!“
 
Mit bestellter Mitbestimmung
 
Der Planungsprozeß Neue Mitte Altona beinhaltet das größte Bürger-Mitmachmodell der BRD. Am Rande des Geländes, dort wo früher die Brauereiarbeiter ihr Freibier bekamen, wurde ein Infocenter mit festen Öffnungszeiten, mit Plänen, Modellen, Luftbildern, Lesematerial und einer auskunftskundigen Aufsicht eingerichtet. Hier finden auch Veranstaltungen statt, und hier darf das KG, das18köpfige Koordinationsgremium der Bewohner, der Betroffenen und Bürger tagen. Alles ist sehr ästhetisch, die Mitteilungen der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, BSU, ähneln mehr Image-Broschüren denn Info-Blättern. Ein paar hundert Meter entfernt schleicht der Intercity in hohem Bogen
 

Alles in der Luft: Schleichender ICE auf wackeligem Viadukt - Foto © Andreas Greve

und im Schneckentempo über das völlig verrottete Eisenbahnviadukt, über das aller Fernverkehr vom Hauptbahnhof läuft. Allein diese Konstruktion zu sichern, würde irre teuer werden. Ihr Verlauf bildet die Grenze zwischen 1. Bauabschnitt, der auf Investorengelände verwirklicht werden würde und dem 2. Bauabschnitt, der das große Areal dahinter umfaßt, das in Gänze weiterhin der Bahn gehört und ganz im Westen auch die Gleise der S-Bahn, die weiterhin fahren soll.
Was sonst noch alles gewünscht werden könnte oder was fürchterlich falsch gelaufen ist, das kann u.a. Mario Bloem, seines Zeichens selber Stadtplaner - benennen, der aus freien Stücken einen eigenen Gegen-Master-Plan gemacht hat. Auch Bloems visuelle Kommunikation ist auf hohem Niveau, was man gar nicht glaubt, wenn er auf seinem selbstkonstruierten Elektro-Mofa, wie ein Daniel Düsentrieb, mit langen Köchern und Taschen behängt, auf dem Parkplatz zwischen der alten Güterabfertigung und der ehemaligen Feierabend-Pinte einschwebt. In Null-Komma-Nichts hängt alles an der Stellwand, ist der Beamer klar zum Gefecht. Er formuliert glasklar und völlig unaufgeregt. Auch Formulierungen wie Stadtplanung sei „Genetik für Generationen“ fließen mühelos ein.
 
Den Altonaern geht es natürlich um ihr Altona. Traditionell tolerant, traditionell widerständig. Seit Migrantengedenken integrativ. Zumindest in passiver Form. Der Ausländeranteil sehr hoch. Und in den letzten drei, vier Jahrzehnten“ traditionell alternativ“: In den späten 70ern konnte der Autobahnzubringer durch den Stadtteil verhindert werden, der Abriß des alten Altonaer Backstein-Bahnhofs nicht. Demnächst kommt das europaweit erste City-Ikea in der schon lange unattraktiven Einkaufstraße östlich des Bahnhofs hinzu. Es wird in seiner ganzen Mächtigkeit neue Maßstäbe setzen. Auf wessen Kosten und zu wessen Nutzen?
Lust und Last des Städtebaus ist, daß dann irgendwann alles da steht. Auch das Mißglückte, auch das Nichtgewollte, allerdings auch das nie Geahnte und das vom reinen Zufall geschenkte. Praktisch ist, daß Hamburg in den letzten Jahren so viele Paradebeispiele für das bekommen hat, was man nicht will: Man möchte nicht die hingewürfelte Beliebigkeit der teuren Hafen-City; keine Solitäre für

Architektonisches Mißgeschick: Nagelneues Jessenquartier - Foto © A. Greve
Millionäre. Man möchte auch nicht diese hoch aufgeschossenen Inseln der Gentrifizierung wie das Bavaria-Quartier im Herzen von St. Pauli. Man möchte nicht solche an markanten Lagen und unter jedem architektonischen Niveau hingeklotzten Investoren-Burgen wie das Jessenquartier in Altona. Aber was möchte man?
Bei so viel Druck und Tempo wählten die Bürger nun die Schockstarre: Man fordert ein Moratorium. Man möchte entschleunigen. Man möchte die Zeit, die es für einen Maßanzug Altona eben braucht. „Wir bauen hier kein Gartenhäuschen“, sagt Bloem.
 
Derweil die Wohnungsnot in der Stadt und in Altona rasant zunimmt und es dem Bürgermeister deutlich schwerer fällt, sein Versprechen von 6.000 neuen Wohnungen pro Jahr einlösen zu können. Sein schneidiger Satz „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch!“ kommt nicht überall gut an. Die Hamburger hatten keineswegs „Führung“ bestellt, sondern sich nur ein wenig mehr Redlichkeit in die Landespolitik zurück gewünscht, Respekt den Menschen, den Werten und der Kultur gegenüber - und deshalb Olaf Scholz mit großer Mehrheit gewählt. Traditionell trauen Hamburger Hamburgern.
 
Der Mix macht´s
 

André Poitiers - Foto: Büro Poitiers
Architekt und Stadtplaner Poitiers hat mit seinen Mitarbeitern das Thema schon gut getroffen: „Die
Altonaer Körnung“: Die Übernahme der Blockrandbebauung der angrenzenden Stadtquartiere. Höfe. Das unregelmäßige Straßenmuster. Platzbildung. Zu seinem Aufgabenschritt nach dem Wettbewerb gehörte keineswegs die konkrete Fassadengestaltung, es wurden aber dennoch solche „Visuals“ mit präsentiert und die gaben keinen Anlaß zu Hoffnung auf große ortstypische Wiedererkennbarkeit. Eher jenes leidige ÜberallundNirgends-Haus, das ubiquitäre Übel moderner – selbst an sich guter – Architektur. Sah das nicht nach teuren Eigentumswohnungen aus? Kein Wunder, bei den Investoren! Die ja schon den Wettbewerb mit ausgelobt hatten! Vorwürfe, Verdächtigungen, Ängste.
Der Wettbewerbs-Sieger hält dagegen, daß sich heute Sozialer Wohnungsbau gestalterisch von Eigentumswohnungen kaum noch unterscheide: „Sogar Klinker gibt es da!“ Es geht um einen dauerhaft belastbaren Entwurf. Und den hat man. Und ob nun in diesem durablem Rahmen der im Masterplan festgelegte Drittelmix von je einem Drittel Sozialem Wohnungsbau/ einem Drittel freifinanzierten Mietwohnungen/ einem Drittel Eigentumswohnungen oder die weitergehende Bürgerforderung von 100% Genossenschafts- bei 50 % Sozialem Wohnungsbau tatsächlich durch- und umgesetzt werden, das wird ja erst im Funktionsplan zum Tragen kommen. Auch wollen die Bürger weniger Geschosse, aber einen markant höheren Anteil an bezahlbaren Flächen für kleineres Gewerbe. Diese Gebäude entlang der Gleise könnten zugleich die Aufgabe des Schallschutzes für das Quartier übernehmen. Auch die „soziale Architektur“ vermissen sie.
 „Interessenwahrer der stadträumlichen Idee“ ist die Rolle, die als nächstes auf Poitiers zukäme. Erst dieser „Funktionsplan“, den zu begleiten und zu erstellen er von der BSU beauftragt wird, kann dann zeigen, wie Geschoßhöhen oder Abstände oder Grünflächen letztlich konkret aussehen würden. Und erst dann kämen die Wettbewerbe für die einzelnen Blocks. Entworfen von ganz verschiedenen Architekten. Sagt er.
 
Keiner weiß, was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. Auf die Frage, wo denn das Zentrum des Wissens über das gesamte Projekt zu vermuten sei, bekommt man – außer einem aufrichtigen Lachen – meist die Antwort „Gute Frage!“ Wer weiß genau, wieviel an Zugeständnissen die Stadt den Investoren vorab abringen kann? Wer weiß, ob nicht irgendwann jemandem der Geduldsfaden reißt. Immerhin konnte Bahnchef Grube jüngst im Zuge eines Gesprächs mit Bürgermeister Scholz

Platz in Altona Mitte - moka-studio"  (www.moka-studio.com)
zusagen, daß der Vorstand der Bahn AG Ende des Jahres entscheiden wird, ob der Bahnhof verlagert wird. Wenn es sich rechnen würde, wäre er dafür. Aber während diese Kuh noch hypothetisch vom Eis geholt wird, besiegelt die ECE, die schon vorher Anteile an Flächen im 1. Bauabschnitt besessen hat, den Vertrag über einen Deal von 45.000 Quadratmetern mit der Brauerei: Vom Shoppingcenter-Riesen zum Big Player im neuen Profit-Segment Wohnungsbau. Jene ECE mit der „Stiftung Lebendige Stadt“, in deren Gremien Bürgermeister aus der halben Republik und in deren Kuratorium Olaf Scholz, in dessen Beirat der Oberbaudirektor und in dessen Vorstand André Poitiers sitzen. Die tief entmutigten Gegner wittern Morgenluft. Bloem sieht einen klaren Interessenkonflikt und empfiehlt den Rücktritt aus der Stiftung. Ein Sprecher des Bürgermeisters sieht für sowas keinen Anlaß. Walter verweist darauf, daß die ECE ein Hamburger Unternehmen ist und es ohne Kultur-Sponsoring mittlerweile selbst im Städtebau nicht geht; das hindere ihn nicht, wenn nötig, auf den Tisch zu hauen. Poitiers wiederum wollte dem Verdacht der Vermischung von Interessen aus dem Wege gehen und hat sich bereits im letzten Herbst aus dem Vorstand der Stiftung zurückgezogen. Vermutlich klug. Auf die Frage nach dem Gefühl in der Stadtplanung sagte Jörn Walter, Leiter der riesengroßen Behörde für Stadtentwicklung und Hamburgs oberster technischer Beamte, ebenfalls: „Viel. Viel!“ Und nach einer Pause: „Dafür ist Poitiers doch ein lebendes Beispiel.“
 
Stadtplaner ist ein wortreicher Beruf. In Schrift und Rede. In Tausenden von Handy-Gesprächen. Architekt Poitiers macht sich nun Sorgen um den Enthusiasmus der Mitbestimmungsgruppe. Daß sie nicht die Lust und den Atem verlieren möge! Nach einem Interviewtermin mit der Deutschen Welle ließ er mich noch wissen: „Ich habe mich dort für ein gemischtes, bezahlbares, überraschendes Quartier eingesetzt. Nichts ist schlimmer als Monotonie und Langeweile.“ Aber wissen das alle anderen auch? Und bedeutet es ihnen überhaupt etwas? André Poitiers wird bei der öffentlichen Sitzung am 14. August im Hamburger Rathaus, Raum 151, Hochparterre links, als Zuhörer dabei sein. Die Bürger, deren Forderungen der sogenannten Drucksache Masterplan Altona des Senats beiliegen, haben begrenztes Rederecht. Sie schicken einen Altonaer in die Schlacht. Falls es für unendliche Geschichten überhaupt Stichtage gibt: Es wird wohl nicht bei diesem einen bleiben.
 
Der Autor Andreas Greve („In 80 Tagen rund um Deutschland“) lebt und schreibt in ebendiesem Stadtteil Altona, wo er auch im letzten Jahrtausend geboren wurde. Er ist Mitglied des Literaturzentrums Hamburg und im Writer´s Room e.V.


Masterplan für Altona Mitte - © Büro André Poitiers

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Redaktion: Frank Becker