„Bella Italia“
im Spiegel von Gemälden und Fotografien
des 19. Jahrhunderts Mit Werken aus der Zeit zwischen 1815 und 1900
heizt das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zur Sommerzeit die Sehnsucht nach Italien an Et in Arcadia ego
„Auch ich in Arkadien“ lautete das Motto der ersten Ausgabe der „Italienischen Reise“ Johann Wolfgang von Goethes, ein Motto, von dem bis auf den heutigen Tag eine erhebliche Anziehungskraft ausgehen dürfte. Arkadien – das ist nicht nur eine Region in Griechenland, sondern auch und vor allem Synonym für das Sehnsuchtsland der Nordländer, nämlich „Bella Italia“.
Die Italiensehnsucht insbesondere der Deutschen hat eine lange Tradition, die bis in die Zeit der Romzüge deutscher Kaiser im Frühmittelalter zurückreicht. In ihrem Gefolge zogen Edelleute und Angehörige der Kurie nach Italien, seit dem Hochmittelalter nahmen Pilger, Kaufleute und Handwerker den beschwerlichen Transit über die Alpen auf sich, dann, seit der Renaissance, auch Künstler und Gelehrte, um den „Delitiae Italiae“, den sinnlichen wie auch intellektuellen Genüssen des Landes – Resultat einer einzigartigen Mischung aus Klima, Kunst und Kultur, aus gebändigter Natur und geschichtlichem Erbe – zu frönen. Einen Höhepunkt in der Geschichte dieser Reiseaktivitäten in den Süden markiert die sog. Grand Tour, die Kavalierstour. Waren die Kaufleute seit eh und je unterwegs, um ihren Geschäften nachzugehen, reisten nun die Zöglinge des Adels nach Italien, um Erfahrungen im Hinblick auf ihre spätere Laufbahn auf dem diplomatischen Parkett oder der politischen Bühne zu sammeln und gleichsam gesellschaftsfähig zu werden. So besuchten diese Kavaliere nicht nur die italienischen Höfe, um die dort agierenden Protagonisten kennenzulernen, sondern nahmen auch an Gerichts- und Kirchensitzungen, militärischen Übungen und Gelehrtenveranstaltungen teil. Ebenso standen Besichtigungen der Sehenswürdigkeiten des Landes – Denkmäler, Prachtbauten, Kunstkammern und Kuriosa – auf dem Programm.
Reiseland Italien
Noch bevor Thomas Cook unter Nutzung der neuen Verkehrsmittel Eisenbahn und Dampfschiff die
In unnachahmlicher Treue
Von der Italienbegeisterung der Maler zeugen derzeit in einer sehenswerten Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum einige schöne Landschafts- und Figurengemälde zwischen Romantik und Idealismus aus der eigenen Sammlung, so etwa von Carl Rottmann, Carl Blechen, Friedrich Overbeck, Oswald Achenbach, Anselm Feuerbach und Hans von Marées.
Doch der Fokus der Ausstellung liegt nicht auf der Malerei, sondern auf jenem Medium, das seit den 1830er Jahren einen lang gehegten Menschheitstraum in Erfüllung gehen ließ, nämlich – wie Alexander von Humboldt schon 1839 formulierte – Bilder „in unnachahmlicher Treue“ apparativ herstellen zu können, sprich: auf der Fotografie. Mit rasantem Tempo erschloß seit den 1840er Jahren ein neuer Berufsstand, der des Fotografen, alle nur erdenklichen Lebensbereiche. Dazu gehört auch, daß Berufsfotografen die Italienreisenden mit fotografischen Abzügen bedienten, die die landschaftlichen Schönheiten und die Kulturschätze dieses Landes dokumentierten: Bergpanoramen und Seeblicke, historische Stadtansichten, ganze Straßenzüge, Plätze, einzelne Gebäude, Gemälde und Skulpturen, archäologische Stätten, alles mit bestechender Schärfe und großem Detailreichtum. Zwischen Inszenierung und Dokumentation
Berühmt sind hierzulande vor allem die fotografischen Arbeiten der Florentiner Fratelli Alinari, drei Brüder, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehrere zehntausend fotografische Platten schufen, die heute unschätzbare Dokumente eines gigantischen, zum Teil schon verlorenen, zum Teil
Begleitet wird die Ausstellung von einem großformatigen, reich bebilderten und gut gestalteten Katalogbuch, zu dem Ulrich Pohlmann unter dem Titel „Grand Tour“ einen informativen Textbeitrag beigesteuert hat. Für die sicherlich nicht gerade kleine Gemeinde der Freunde Italiens dürfte das Buch ohne Zweifel ein Leckerbissen sein.
Bella Italia – Fotografien und Gemälde 1815-1900
Von der Heydt-Museum, Wuppertal - bis 9. September 2012
Katalogbuch mit demselben Titel, hrsg. v. Gerhard Finckh, Ulrich Pohlmann und Dietmar Siegert, Heidelberg/Berlin 2012, Kehrer Verlag, 248 Seiten, geb., 211 vierfarbig gedruckte Abbildungen., 24 x 30 cm, ISBN 978-3-86828-316-7, im Buchhandel 35,- €, in der Ausstellung 25,- €.
Alle Illustrationen im Text: aus dem Katalog |