Vom Glücklichsein auf Paßfotos,
von Regenschirmen und Honig vom Haxtergrund 18. August: Der Schirm. Viele Menschen haben einen Schirm dabei, auch wenn es nicht regnet. Viele behaupten sogar, daß dieses Mitführen eines Regenschirms den Regen abschrecken würde. Ich habe immer gedacht, wenn man so klug geworden ist, bei grauen Himmel an einen Schirm zu denken, dann ist man alt geworden, dann trägt man auch zu Hause Pantoffeln und hat einen schwarzen Anzug für Beerdigungen. Wenn man Regen bewußt erleben will, dann sollte man auf einen Schirm verzichten. Von Küssen im Regen zehrt man sein ganzes Leben. Trotzdem, viele Menschen haben ein Schirm dabei, auch wenn es nicht regnet. Was kann man nicht alles mit einem Schirm machen, auch wenn es nicht regnet? Ein Schirm kann ein Degen sein, eine Lanze, ein Speer. Man kann ihn wie einen Propeller vor sich drehen und dabei Geräusche machen. „Es ist mit Turbulenzen zu rechnen. Schnallen sie sich an und stellen sie ihre Handys aus.“ Was kann man nicht alles mit einem Schirm machen, auch wenn es nicht regnet? Ein Schirm kann ein Tambourmajorstab sein, ein Pferd, auf dem man reitet. Meinen Schirm kann man mit einem Knopfdruck öffnen. Wenn Kinder vor mir stehen, dann tue ich immer so, als wäre das ein Zaubertrick. Ich flüstere: „Simsalabim / Drei mal schwarze Katze / Regen nicht so schlimm / zeig mir deine Fratze!“ und dann lasse ich den Schirm aufschnellen, als wäre das Magie. Was kann man nicht alles mit einem Schirm machen, auch wenn es nicht regnet? Mein Schirm kann mein drittes Bein sein. Er kann mitgehen, normal und im Stechschritt. Das macht manchmal so einen Spaß, daß, wenn es dann plötzlich an zu regnen fängt, ich nicht mehr weiß, daßich einen Schirm dabei habe. 20. August: Der Alleinunterhalter: Der Alleinunterhalter sprach mit sich selbst, weil sonst keiner da war mit dem man reden konnte. Er sagte zu sich „Ich hab dich gern und daß du nicht gut zuhören kannst, ist neben deiner Eigenliebe deine zweite große Schwäche.“
22. August: Wenn ich eine Hälfte meines Paderborner Brotes mit dem Honig aus Papua Neuguinea einschmiere und die andere Hälfte mit einem Honig aus dem Haxtergrund, dann weiß ich, daß ein gemeinsames Leben möglich ist. Schon optisch ähneln sich die Honige wie ein Ei dem anderen. So unterschiedlich sind wir Menschen gar nicht. Natürlich gibt es bei den Honigsorten geschmackliche Unterschiede, aber beide Honige schmecken. Es ist sogar so, wenn ich die Mitte dieses Brotes esse, also beide Honige aus Papua und aus dem Paderborner Haxtergrund, mit einem Bissen mische, dann entsteht etwas Neues. Das hat es vorher noch nicht gegeben. Ich schmecke etwas Neues und das nur, weil sich beide Kulturen aufeinander zu bewegt haben. Natürlich braucht es dafür manchmal eine gemeinsame Grundlage, die in diesem Fall das Paderborner Brot gewesen war.
23. August: Ich bin vom Glücklichsein so erschöpft, daß ich manchmal weinen muß. „Verdammtes Glück laß mich in Ruh und wende dich den andern zu.“ Nichts gegen das Glücklichsein, aber man
© 2012 Erwin Grosche - Erstveröffentlichung in den Musenblättern
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