Verbitterte Aufzeichnungen eines alten Mannes

Jean-Louis Fornier - "Mein letztes schwarzes Haar"

von Robert Sernatini
Zynische Tristesse

Verbitterte Aufzeichnungen eines alten Mannes


Nein, dieses Buch von Jean-Louis Fournier ist nicht lustig. Wiewohl es scheinbar humorvoll mit einem Selbstzitat aus "
Grammaire française et impertinente" beginnt: "Mein Urgroßvater ist gestorben, mein Großvater ist gestorben, mein Vater ist gestorben... Ich fürchte, das ist erblich." Auch das vorangestellte Zitat Cocteaus und die lakonisch-melancholische Erkenntnis "Je weniger Atem man hat, desto mehr Kerzen muß man ausblasen" wecken noch die trügerische Hoffnung, hier klage ein altersweiser Mann mit einem gewissen Augenzwinkern über das Älterwerden und dessen lästige bis ärgerliche Begleiterscheinungen. Das täuscht.

Je weiter man sich nämlich in die kurzen, griffigen Kapitelchen mit ihren markanten Zwischentiteln hineinliest, sich auf Jean-Louis Fournier einläßt, umso mehr gewinnt die Wahrheit erschütternde Substanz: hier schreibt ein mit dem Leben unzufriedener und mit dem Alter schrecklich verbitterter Mann über all das Häßliche, das er aus der Sicht des damals 68-jährigen (er nimmt das 60. Lebensjahr als katastrophalen Umbruch in den Fokus) an sich und der Entwicklung der Welt um sich herum beobachtet hat. Das klingt zwar vordergründig ironisch und witzig, und intelligent sind seine Aufzeichnungen allemal - doch die böse zwischen den Zeilen heraus sickernde Bitternis, die in Zynismus verpackte Enttäuschung sind nicht zu überlesen, geschweige denn zu überhören. Wo Ambrose Bierce in seinem "Wörterbuch des Teufels" unverhohlen witzig-intelligente Bösartigkeiten verspritzt, die Spaß machen und Pep haben, wo z.B. der Kabarettist Bill Mockridge fröhlich mit dem Thema des Älterwerdens spielt, zieht die Lektüre von Jean-Louis Fourniers "Mein letztes schwarzes Haar" lediglich hinunter. Da möchte der Rezensent, der Fourniers "Schallgrenze" mit viel Heiterkeit und steter Selbstironie
bereits selber durchbrochen hat, offen gesagt nicht hin. Dennoch, es ist ein hervorragend geschriebenes und ebenso hervorragend übersetztes Buch, für den, der sich der grauen Tristesse seines eigenen Selbstmitleids hemmungslos hingeben möchte und in Monsieur Fournier einen Seelenverwandten entdeckt.
1938 in Arras geboren, ist der erfolgreiche Autor mittlerweile 74 Jahre alt und publiziert, sechs Jahre nach "Mon dernier cheveu noir" noch immer mit Erfolg, er sei ihm von Herzen gegönnt - wie wird er wohl jetzt zum Leben stehen? Ich möchte es, noch einmal ehrlich gesagt, gar nicht wissen.  

Jean-Louis Fornier - "Mein letztes schwarzes Haar" (Mit einigen Ratschlägen für ehemals Junge)
© 2011 Lappan Verlag, 216 Seiten, gebunden - ISBN: 978-3-8303-6216-6 - aus dem Französischen von Walter Sittig
12,95 €
 
Weitere Informationen:  www.lappan.de