Johnny Cash revisited

„Well you´re my friend“ - Eine bunte Show im Bochumer Schauspielhaus

von Frank Becker

Ensemble - Foto © Diana Küster

Johnny Cash revisited
 
„Well you´re my friend“
Eine bunte Show im Bochumer Schauspielhaus
 
 
Regie: Barbara Hauck – Musikalische Leitung: Torsten Kindermann – Idee: Torsten Kindermann und Thomas Anzenhofer – Bühne: Mara Henni Klimek – Kostüme: Elisa Pelkmann und Annika Träger - Fotos: Diana Küster
Besetzung: Thomas Anzenhofer, Linda Bockholt, Denis Cuní Rodríguez, Torsten Kindermann, Ingmar Kurenbach, Nicola Mastroberardino, Oliver Siegel, Jan-Sebastian Weichsel, Veronika Nickel und als Gast: Katharina Linder
 
Das Bochumer Theater hat den enormen Erfolg seines Johnny Cash-Programms mit Thomas Anzenhofer genutzt und sattelt nach einer Idee von Anzenhofer und Thomas Kindermann mit der dritten Premiere der Spielzeit 2012/13 noch drauf: „Well you´re my friend“ heißt die von Barbara Hauck inszenierte, hochmusikalische und herrlich bunte Show, zu der wiederum Anzenhofer als Johnny Cash eine illustre Schar phantastischer Musiker um sich versammelt, um einen Querschnitt der legendären, US-weit ausgestrahlte Johnny-Cash-Show des Fernsehsenders ABC aus den Jahren 1969-1971 nachzustellen. Damals aus dem 6.000 Plätze bietenden Ryman Auditorium der Country-Metropole Nashville, Tennesse übertragen, erreichte das Programm mit Gaststars aus Country, Soul, Pop und Rock jeweils rund 80 Millionen Zuseher.

 
 Ensemble - Foto © Diana Küster
 
In Bochum waren es bei der Premiere am Donnerstagabend nicht ganz so viele, doch traten Thomas Anzenhofer, Linda Bockholt, Denis Cuní Rodríguez, Torsten Kindermann, Ingmar Kurenbach, Nicola Mastroberardino, Oliver Siegel, Jan-Sebastian Weichsel und Veronika Nickel in den von Elisa Pelkmann und Annika Träger liebevoll gemachten Kostümen vor vollem Haus auf die von Mara Henni Klimek wunderbar gestaltete Bühne (Studio und Backstage) – und wurden bereits mit tosendem Applaus empfangen. Da zu hätte es nicht einmal die „Applause“ signalisierenden Lichtzeichen des Showrooms gebraucht, hier waren Fans und Kenner im Saal. Die wurden mit einem echten Foot-Tapper empfangen und in Stimmung gebracht, dem Carl Perkins-Titel „Daddy sang bass“, den Cash 1969 in die Charts brachte. Anzenhofer unterstrich beeindruckend seine Fähigkeit, ein alter ego für Cash zu sein, wenn auch etwas weniger hart und kernig als der „Man in Black“. Torsten Kindermann ließ keine Zeit zum Atemholen, mit dem Jerry Lee Lewis-Hit „Great Balls of Fire“ fegte er grandios über die Bühne, angemessen am Klavier von Oliver Siegel am Klavier begleitet.
 
Die Playlist des Abends umfaßt 26 Titel (+ 4 umfangreiche Zugaben), die ich Ihnen natürlich nicht alle hier vorstellen werde, aber einige herausragende Nummern sollen doch sozusagen zum

Katharina Linder -
Foto: Schauspielhaus Bochum
Appetitanregen erwähnt sein. Da wären z.B. „At the dark end of the streeet“, ein Soul-Song, den Nicola Mastroberardino ganz nah an P.J. Proby interpretierte, „Tell me“ und „Save me“ ganz starke Nummern von der überragenden Linda Bockholt, die mit viel Soul als Marsha Hunt durchging und dank ihres Multitalents und der ausnahmslos glänzenden Vokal-Performance mit allem Recht umjubelter Mittelpunkt des Programms wurde, der Spitzentitel „September when it comes“ von Rosanne Cash im irischen Sound vom Ensemble geboten, Bill Monroes „Blue Moon of Kentucky“ in bester Bluegrass-Manier und „That´s allright Mama“ mit Thomas Anzenhofer und dem Ensemble als letzte der Zugaben. Dem Posaunisten, Sänger und Multinistrumentalisten
Denis Cuní Rodríguez flogen die Herzen ebenso zu wie ihr und dem sympathischen Nicola Mastroberardino. Wenn es heißt, eine Kette sei nur so stark wie ihr schwächstes Glied, hat sich das in „Well you´re my friend“ glücklicherweise nicht bestätigt, denn Veronika Nickl (u.a. „Stormy Weather“) konnte, obwohl allzu sehr in den Vordergrund geschoben, in keiner ihrer Nummern überzeugen. Eine gute Schauspielerin mag sie sein, aber eine Country- oder Pop-Sängerin ist sie jedenfalls nicht. Hingegen war Katharina Linder (die zwei Tage zuvor bereits in „Die Ehe der Maria Braun“ überzeugt hatte) mit einem gefeierten Gastauftritt und dem auf den Punkt genau interpretierten Carole King-Song „Queen of the Beach“ der Knaller des Abends.

 
 "Blue Moon of Kentucky", Ensemble - Foto © Diana Küster
 
Das alles vor dem kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Hintergrund von Woodstock, Altamont und Vietnam, Martin Luther King, Janis Joplin und Jimi Hendrix – einer Zeit, in der das Trinken und Rauchen noch nicht geächtet war, sondern zum Lebensstil gehörte, dafür aber Latinos und Schwarze in den US-Medien noch einen vergleichsweise schlechten Stand hatten. Daß die Dramaturgie es mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht so genau nahm, spielt überhaupt keine Rolle – hier geht es um die Show und das Lebensgefühl damals backstage. Das hat das Ensemble virtuos, mit vollem Einsatz, hochmusikalisch und viel eigenem Vergnügen – auch bei kleinen Pannen und eleganten Extemporés ganz großartig und wunderbar vermittelt.
Unbedingt hingehen und einen musikalischen Abend der Sonderklasse genießen! - empfiehlt der Rezensent.
 
 
Mitte: Thomas Anzenhofer - im Spiegel: Torsten Kindermann, Linda Bockholt - Foto © Diana Küster

Weitere Informationen: www.schauspielhausbochum.de