Echte Schätzchen
In den Archiven des SWR (Südwestrundfunk), der im Jahr 1998 durch die Verschmelzung von Südwestfunk Baden-Baden/Mainz (SWF) und dem Süddeutschen Rundfunk Stuttgart (SDR) zur zweitgrößten Sendeanstalt Deutschlands wurde, schlummern noch ungehobene Schätze in Form von Live-Aufzeichnungen legendärer Jazz-Konzerte und Sessions aus den 1950er bis 70er Jahren. Die zu heben hat sich das Label Jazzhaus unter dem Dach von ARTHAUS Musik in Kooperation mit SWR Media Services GmbH zur Aufgabe gemacht – und ist bei diesem Projekt äußerst erfolgreich. Tonbänder und Filmmitschnitte werden gesichtet und aufbereitet, die Ergebnisse in exzellenter Qualität auf CD und – was Puristen freuen wird, in einigen Fällen auch in einer (inhaltlich abgespeckten) Vinyl-Version veröffentlicht. Es sind in der Tat rare Wiederentdeckungen, die seit den damaligen Konzerten höchstens in Ausschnitten in Joachim Ernst Berendts (1922-2000) Jazz-Sendungen des SWF zu hören gewesen sein können. In einem der Fälle, dem Konzert von Zoot Sims in Baden-Baden am 23. Juni 1958, hat es dreißig Jahre danach einmal den mißlungenen Versuch einer Pressung gegeben, heißt es. Das hat Jazzhaus jetzt sozusagen „ausgebügelt“ und legt ein brillant abgemischtes, temperamentvolles Album der Reihe „Lost Tapes“ vor. Bei der mitreißenden Jam-Session mit von der Partie waren seinerzeit neben Zoot Sims (as, ts, cl) Hans Koller (as, ts, cl), Willie Dennis (tb), Adi Feuerstein (fl), Gerd Husemann (fl), Helmut Brandt (fl, bs), Hans Hammerschmidt (p), Peter Trunk (b) und Kenny Clarke (dr). Bemerkenswert, daß neben Standards wie Jerome Kerns „All the things you are“, Richard Rodgers´ „Fallin´ in love“ und Victor Scherzers „Tangerine“ auch drei Kompositionen von Hans Hammerschmidt im Programm waren. In dessen „Open door“ zeigt Kenny Clarke, wo Bartel den Most holt. Eine CD, die in keiner Jazz-Sammlung fehlen sollte. Die Vinyl-Pressung ist in Vorbereitung und wird acht der elf CD-Titel enthalten. Da fiebern die Jazz-Freunde schon.
Auch die Vinyl-Pressung der Konzerte von Dizzy Gillespie und seinem Quintett am 27. (Liederhalle Stuttgart) und 29. November (Kongreßhalle Frankfurt)1961 ist noch in den Startlöchern, während die CD bereits vorliegt und klanglich ebenso überzeugt wie die von Sims. Dizzy Gillespie (tp) ist mit einem All-Star-Ensemble angetreten, zu dem Leo Wright (as, fl), Lalo Schifrin (p), Bob Cunningham (b) und Mel Lewis (dr) gehörten. Es ist eine Perlenkette von Jazz-Delikatessen, über die man in Grunde nur in Superlativen sprechen kann. Die epischen Fassungen von Duke Ellingtons „The Mooche“ und Dizzy Gillespies grandiosen „Con Alma“ und „Kush“ in dieser einzigartigen Live-Version gehören zum Besten, was in Deutschland je auf einer CD veröffentlicht und bald auch in Vinyl gepreßt zu haben sein wird. Hier spielt ein Quintett zusammen, als habe es kein Gestern gegeben und als gäbe es kein Morgen. Eine Sternstunde des Jazz, die ebenfalls in jeden Plattenschrank gehört. Eine Empfehlung der Musenblätter.
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