Hauptsache Arbeit, von früher bis heute

von Fritz Eckenga

Fritz Eckenga - Foto © Frank Becker
Hauptsache Arbeit,
von früher bis heute
 
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Wenn es weiter so gut läuft mit der Wirtschaft in diesem Land, sprechen wir bald wieder von Vollbeschäftigung. Nee, keine Angst, das wird jetzt nicht die vorgezogene Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin. Aber am Jahresende soll auch hier mal ein positiver, optimistischer Ausblick in die naheliegende Zukunft gewagt werden. Und dazu schauen wir erstmal kurz zurück auf – äh – früher.
   Nein, früher war gar nicht alles besser. Einiges war sogar ziemlich schlecht.  Ganz schlecht war zum Beispiel die Parole „Wer arbeiten will, der kriegt auch eine!“. Die war nicht nur grammatisch voll daneben, sie verhieß allen vor dem Eintritt ins Arbeitsleben Stehenden auch sonst nichts Gutes. In punkto Ausbildung könne man sich alle Flausen aus dem Kopf schlagen. Hauptsache sei, daß, nicht was gearbeitet werde. Im übrigen, auch dieses Motto war allgegenwärtige Drohung, würden die folgenden „Lehrjahre“, genau wie die bereits absolvierten, „keine Herrenjahre“ werden.
   Die düstere Prophezeiung überraschte die „fürs Leben“ Lernenden nicht. Viele kannten die Reste des Arbeitsalltags ihrer oft erschöpften Erziehungsberechtigten vom Sehen. Die Alten gaben weiter, was sie selbst nicht besser wußten. Arbeiten an sich galt als erstrebenswerter Daseinszweck. Sinn der Arbeit war Gelderwerb, ihre Ausübung hatte in Demutsstellung zu erfolgen. Zwar schwebte immer der Befehl im Raum, „die Kinder sollen es mal besser haben als wir!“. Daß „besser“ vielleicht bedeuten müsse, nicht nur an zu kurzen Feierabenden Freude und Lust am Leben zu haben, kam aber als Idee nicht vor.
    Später war nicht alles besser, aber etwas. Eltern sind auch dazu da, daß sie einem eine Ahnung davon geben, was man selbst nicht möchte. Ihr Vorbild fördert Widerstandsgeist und Selbstbewußtsein. Dieser Erziehungsauftrag wurde beim einen oder anderen erfolgreich erledigt. Manche hatten sich gegen ihn aufgelehnt und die eigenen Vorstellungen von sinnvoller Arbeit halbwegs verwirklicht.
     Gar nicht besser als früher war dann das, was man allerorten las. „Arbeit Arbeit Arbeit“ grölte die Plakatparole, mit der sich die mittlerweile auf schrödersches Niveau tiefgelegte Sozialdemokratie 1998 an Laternen gehängt hatte. Der Kandidat bewarb sich auf den Posten des Kanzlers. Er bekam den Zuschlag. Es wurde einer gebraucht, der den „Arbeits-Markt“ so freireguliert, daß nächste Regierungen es einmal besser haben würden.
   2012. Es ist vollbracht. Der Mund unter der Frisur von Frau von der Leyen verkündet ein Job-Wunder nach dem anderen. Ihre Chefin, die gütige Frau Merkel,  gewährt bald Mindestlöhne, mit denen die Bezieher Einkommen knapp unter der Armutsgrenze erzielen können. „Wer arbeiten will, der kriegt auch eine!“ Von der Sorte wird er zwei brauchen, um wenigstens davon existieren zu können.
 

© 2012 Fritz Eckenga für die Musenblätter

Wir freuen uns, Fritz Eckenga, Träger des
des Eisernen Reinoldus 2008,
des Literaturpreises Ruhr 2010,  des Peter Hille Literatur-Preises 2011,
 und des Salzbuger Stiers 2012 als Kolumnisten der Musenblätter gewonnen
zu haben. Willkommen an Bord!