Der Barbier von Sevilla

Sinnvolles Recycling in Wuppertal

von Martin Freitag
Der Barbier von Sevilla

Sinnvolles Recycling

Johannes Weigand ist als Operndirektor an den Wuppertaler Bühnen ein echter Ausbund an gutem Umgang mit den finanziellen Ressourcen des Hauses, so hat es Sinn, wenn er seine erfolgreiche Produktion von Gioacchino Rossinis "Der Barbier von Sevilla" aus dem Jahre 2003 wiederbelebt hat. Weigands Regie ist vielleicht kein "großer Wurf", doch will auch gar nicht mehr sein, als das Werk hergibt: eine wunderbare Opera Buffa. Moritz Nitsche kommt mit vier klappbaren Wänden und wenigen Möbelchen aus, schnell sieht man ein "Außen" oder "Innen" vor der weißen Bühne mit ihrem schlichten Rundhorizont, Fredy Deisenroth zaubert sich immer wieder verändernde Lichteffekte auf diese Folie, ein Sternenhimmel ist das äußerste der Gefühle. Doch das reicht auch, denn in den historisierenden Kostümen von Judith Fischer mit ihrer klaren Farbgebung inszeniert Weigand mit lockerer Hand die Beaumarchais´sche Komödie ganz im Sinne der Commedia dell`arte. Das ist alles und es reicht auch für einen munteren Opernabend.

Florian Frannek musiziert dazu sorgsam, fast möchte man kammermusikalisch sagen, mit dem Sinfonieorchester Wuppertal einen durchsichtigen, luziden Rossini ganz im Sinne der Mozart-Tradition. Das Crescendo wird schon mal lauter, doch bleibt alles im fein austarierten Rahmen dieser Interpretation, die vom Gesangsensemble stets mitgetragen wird. Das ist schon eine Seltenheit in unserer lauter und lauter werdenden Welt und verdient beträchtliche Würdigung.
Wie geschrieben die Sänger bleiben als Ensemble dabei immer kompetent, wenn auch einzelne Leistungen durchaus der Kritik bedürfen. Da wäre an erster Stelle der Graf Almaviva von Christian Sturm, zwar gefällt der Sänger mit schönem Tenortimbre und sympathischer Bühnenerscheinung, doch kann ich mich erneut des Eindrucks nicht erwehren, daß der junge Tenor mehr mit seiner Naturstimme singt, als daß die technische Ausbildung wirklich geügend wäre, die Höhe gelingt mal, mal nicht, dann kommt es zu kleinen Kieksern. Das fällt natürlich besonders im artifiziellen Gesang des Belcanto auf, deswegen wird einiges oktaviert, auch die schnellen Koloraturen sind nicht die eigentliche Sache Sturms, dennoch wird die Stimme stets stilistisch im Feinen behalten. Elena Fink war bereits 2003 die Rosina und singt natürlich die Koloratursopranfassung, als gestandene Bühnenpersönlichkeit überzeugt sie szenisch wie musikalisch, wenn sie sich auch eine sehr eigene Version dieser Partie zurechtgerückt hat. Wunderbar als Rollenvertreter des Figaro ist Thomas Laske, der mit Geschmeidigkeit und leuchtender Höhe schon in seiner Auftrittsarie berechtigte Ovationen bekommt. Dariusz Machej erinnert mit herrlich fieser Fünfziger-Jahre-Brille optisch an den Kabarettisten Georg Kreisler, sein Bartolo erfreut mit treffsicherem Spießertum und geschwindem Baßbaritonparlando. Martin Js. Ohu liefert als Basilio erneut eine überzeugende Baßleistung ab, ein junger Sänger, der mit der richtigen Rollenauswahl sicher noch einen guten Weg vor sich hat. Joslyn Rechter ist mit indisponiertem Mezzo immer noch eine treffliche Berta und zieht in ihrer "Sorbetto"-Arie ordentlich vom Leder. Die kleinen Partien und der Chor agieren und musizieren auf Augenhöhe.

Ein schöner Opernabend, der auch die Schulklasse in den Reihen hinter mir amüsierte und faszinierte. Großer Applaus für eine einfach gut abschnurrende Repertoireaufführung.
 
 
Wuppertaler Premiere am 20. 10. 12, besuchte Aufführung am 08.11.12
Text-Übernahme mit freundlicher Genehmigung von "Der Opernfreund"