Wann ?

von Hanns Dieter Hüsch

© André Polozcek / Archiv Musenblätter

Wann ?
 
Zuerst kommen die
Die Dich umhegen und pflegen Dich sauber halten
Dich baden und ölen
Ein Nest bauen
Dich ermuntern zu sprechen Dir Schritte beibringen
Dich größer und größer ziehn
Dich in Kleider wickeln und für Dich einen Namen suchen
 
Dann kommen die
Die Dich begaffen beschnüffeln betasten und tätscheln
Rasseln und Glöckchen mitbringen
Spiegel und goldene Löffel
Dreirad Schwammdose Tafel und Ranzen
Dich tagelang drehen und wenden
Damit Du der Feinste bist
 
Dann kommen die
Die Dich mustern und schätzen Dich loben und tadeln
Setzen und aufstehn
Dich bilden damit Du zum höheren Wesen langsam hinaufwächst
Mit Stöckchen auf Deine Finger schlagen
Auf daß Du Charakter und Rückgrat Dir anschaffst
 
Dann kommen die
Die Dir Berge und Flüsse zeigen
Eingerichtete Häuser Silbergruben und Aufsichtsräte
 
Dann kommen die
Die Dich anwerben für eine Sache
Für die man durchs Feuer gehn sollte
Am besten ist es natürlich
wenn andre durchs Feuer gehen
Darum sagen sie Dir
daß das Feuer auch nur vorübergehend
Und danach der Himmel wieder erscheinen würde
 
Dann kommen die
Die Dir die Kleider vom Leibe ziehn
Und Dich in Rüstungen stecken
Damit Du gegebenenfalls Dich Deiner Haut zu wehren weißt
 
Dann kommen die
Die Dich segnen und preisen
Weil von Berufs wegen das so üblich
Und dadurch die Kampfkraft erheblich wächst
 
Dann kommen die
Die Dich verbrennen mit Napalm und allerlei schon
bewährten Vernichtungsmaschinen
Die Dir beweisen daß das sehr schnell geht
(Sozusagen ruckzuck) und darum human ist
 
Dann kommen die
Die Dich zahlenmäßig erfassen
Und es nicht fassen können
 
Es sind dieselben
Die Dich umhegten und pflegten
Und für Dich einen Namen suchten
Die Dir Spiegel und goldene Löffel brachten
Die Dir Charakter und Rückgrat einbliesen
Dich sauber hielten
Dir Berge und Flüsse zeigten
Und von einer heiligen Sache sprachen
 
Und nun schon wieder dabei sind
Andere sauber zu halten
Um keinen Schweinestall aus dieser Erde zu machen
Denn so sauber wie ihre frömmelnden Finger
Sind ihre glühenden Ofen und Bomben
 
So sauber wie ihre Gesinnung
Sind ihre Zähne
Die sie in Menschen schlagen
In roher Gesundheit
 
So schnell wie sie alles sauber halten
Ist auch Dein Tod
Damit nicht Fliegen und Geier die Gegend bevölkern
Schicken die sauberen Herren das schmutzige Volk unter die Erde.
 
Wann schickt das schmutzige Volk die sauberen Herren
in ihren mit allen Wassern gewaschenen Himmel?
 
 
Hanns Dieter Hüsch
1968
 
 
© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Den möcht´ ich seh´n..."
in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung