Festtage

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Weil die Weihnachtsfeiertage in diesem Jahr
akkurat so lagen, wie in diesem Feuilleton von
Hanns Dieter Hüsch aus dem Jahr 1999 mit
sanfter Satire vorausgesehen, haben wir den
Text zum nachdenklichen Jahresausklang gewählt.

Festtage
 
Diesmal waren die Festtage nicht so anstrengend - die Feiertage waren eigentlich ganz normal: freitags Heiligabend, dann noch Samstag und Sonntag! Aus! Schluß! Ende! Jedenfalls, wenn der Heilige Abend demnächst wieder mal auf einen Montag fällt und die 4- Tage-Woche überall eingeführt ist, dann ist Freitag bis Donnerstag Weihnachten! Und alle fahren in die Karibik oder in die Südsee! Aloha he! Leise rieselt der Schnee! Der künstliche natürlich - der natürlich künstliche! Und dann kriegt man von so einem »Waikiki-Girl« noch einen kleinen Tannenbaum aus Palmenblättern um den Hals gehängt, und dann sitzt man da im halbseidenen Jogging-Anzug wie König Herodes am Rosenmontag und feiert »Deutsche Weihnacht« aus der Dose! Aber diesmal, muß ich sagen, war es erträglich! Viele liegen nach den Feiertagen ja völlig am Boden, weil sie der Christbaumschmuck so geblendet hat und die Weihnachtsgans nicht vor und zurück wollte, weil der Magen völlig ausgebucht war. Die liegen dann mit verdrehten Augen auf dem Teppichboden und rufen nach dem Alltag: »Alltag, komme endlich herbei! Verwandte, geht endlich nach Hause! Kinder, spielt endlich wieder auf der Straße! Nachbarn, macht bloß keinen Antrittsbesuch! Untermieter, stelle endlich deinen CD-Player ab! « Und dann wieder: »Magen, sei bitte nicht so verdorben!« Ich kann das verstehen! Die machen dann richtig einen drauf, anstatt sich zu besinnen! Aber diesmal ist man gar nicht zur Besinnung gekommen - ich auch nicht! Das ging ja ruckzuck! Als hätten sie jetzt schon einen Feiertag gestrichen! Sonntagabend - aus! Ende! Schluß! Manche montieren dann sofort den Baum ab - 24 Uhr, Ende der Fahnenstange! Die Kampagne ist vorbei, hätte ich beinahe gesagt, Manche probieren dann schon gleich die Larve für Silvester. Bei uns steht der Baum fast bis zum 10. Januar! Es kann Faulheit sein, Bequemlichkeit wahrscheinlich! Aber es nutzt alles nix, die Zeit geht über unsereinen hinweg. Ob da Silvester auf einen Freitag oder auf einen Samstag fällt oder auf einen Montag, das ist der Zeit völlig wurscht! Meine Uhr, die bleibt schon mal stehen, aber die Zeit nicht! Die rast und rast über Berg und Tal, durch Dörfer und Städte, über Wüsten und Steppen - man kann fast sagen: Sie geht über Leichen, wenn man so zurückblickt! Keiner kann sie aufhalten! Es gibt Morgen und Abend, Tag und Nacht, und immer so weiter und so weiter! Und deshalb habe ich zu mir gesagt: »Steh du jetzt mal am besten von deinem Teppichboden auf und guck aus dem Fenster raus, dann siehst du, wie die Leute schon wieder überall auf den Beinen sind, um die Zeit einzuholen!« Vielleicht kommen sie dann ein bißchen zur Besinnung!
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.
Redaktionelle Anmerkung: Frank Becker