Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Briefmarken- und anderes Geseires

21. Januar:
Gerade, wenn ich betrunken bin, weiß ich ein Navi zu schätzen.
 
22. Januar: Welcher Bus fuhr über das Meer? Columbus. Was ist der Unterschied zwischen Ahnungslosigkeit und Ignoranz. Weiß ich nicht und ist mir auch scheiß egal!!
 
24. Januar: Die Zunge ist sauer. Sie mag keine selbstklebenden Briefmarken. „Ich hätte mich gerne weiter eingebracht und etwas für die Gemeinschaft getan“, lispelt sie. Früher durfte die Zunge alle Briefmarken ablecken und erst dann konnten sie auf den Briefumschlag geklebt werden. Eine unangenehme und entwürdigende Aufgabe. Nun hat die Post die selbstklebende Briefmarke auf den Markt gebracht. Man zieht sie ab und sie klebt von selbst. Die Zunge ist sauer. Sie fühlt sich nutzlos.
„Natürlich hat mir manche Briefmarke nicht geschmeckt, sagt sie, aber ich bin nicht aus Pappe, da kann man schon mal über seinen Schatten springen.“ Die Zunge ist sauer. Nun streckt sie manchmal einfach sich aus dem Mund heraus und beleidigt unschuldige Vorübergehende.

Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm geweckt.

Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens!

(Joachim Ringelnatz)



© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker