Eine Tragödie von Shakespeareschem Ausmaß

Christine Neubauers Programm „…und immer lockt das Weib“

von Frank Becker

Chr. Neubauer - Foto © Jürgen Heimerl / pixelio.de
Da hätte ein Radio gereicht
 
Christine Neubauers Auftritt:
Eine Tragödie von
Shakespeareschem Ausmaß
 
Kaum eine zweite deutsche Schauspielerin ist auf den Fernsehschirmen der Republik seit über 25 Jahren so omnipräsent wie Christine Neubauer, die als „Everybody´s Darling“, üppiges Sexsymbol und Vollblutweib quasi im Minutentakt Einzug in die Wohnstuben der Nation gehalten hat. Ihre nicht zu übersehenden körperlichen Vorzüge, die sie durchaus in die Waagschale zu werfen versteht, den Schmelz ihres Augenaufschlags und ihre braunen Locken weiß sie ebenso einzusetzen wie ihr dramatisches Talent, das sie hautnah mal herb, mal weich einsetzt.
Sie gibt die Mutter und die Hure, die Nonne und die Bäuerin, die Köchin, die Trümmerfrau und die Liebende. Auf der Bühne glänzte sie, ihr auf den sinnlichen Leib geschrieben, als die Buhle im „Jedermann“. Männer verfallen ihrer erotischen Ausstrahlung, Frauen beneiden und bewundern sie. Grund genug, das literarisch-autobiographische Programm, mit dem sie tourt, „…und immer lockt das Weib“ zu übertiteln. Auf der Suche nach diesem/ihrem Phänomen gastierte Christine Neubauer jüngst auch im Remscheider Teo Otto Theater – und lieferte eine abgrundtief schlechte Show ab.
 
Zunächst wurden die immerhin gut 160 Gäste, die sich auf einen gemütlichen Nachmittag im Theatersaal gefreut hatten, „aus technischen Gründen“ (mit gleichem fadenscheinigem Argument war am Tag zuvor eine Vorstellung in Leipzig abgesagt worden) ins obere Foyer des schönen Hauses umquartiert, wo, wer ab Reihe 6 (von 16) auf harten Stühlen saß, weder die vortragende Künstlerin, noch den sie begleitenden Pianisten Andreas Kowalewitz sah. Da hätte auch ein Radio gereicht. Wahrer Grund war die „zu geringe“ Zahl der verkauften Karten. Das Management von Frau Neubauer (und das Theater machte mit) ließ also jene dafür „büßen“, die brav bis zu 28 € bezahlt hatten, daß andere nicht gekommen waren. Wer einen guten Platz im Saal gekauft hatte, war angeschmiert, denn im Foyer herrschte freie Platzwahl. Folglich waren viele unzufrieden und prompt kam auf Neubauers kokette Bemerkung: „Ich hoffe, Sie können mich alle sehen“, die folgerichtige Antwort aus 100 Kehlen: „Nein“.
 
Ungeachtet dessen nahm das Verhängnis seinen Lauf. Lange Filmausschnitte aus Ludwig Ganghofers „Der Unfried“ und Willy Puruckers „Die Löwengrube“ nach der Hörspielreihe "Die Grandauers" wurden vorgeführt, dafür hätte man nicht ins Theater gehen müssen. Die gibt es auch auf Youtube. Der durchaus begabte Andreas Kowalewitz spielte gleich zweimal „As time goes by“, in aller virtuosen Ausführlichkeit Franz Liszts „Liebestraum“ und erzählte aus seinem Leben. Aber auch dafür waren die Zuschauer nicht gekommen. Blieben für Frau Neubauer gerade mal 45 Minuten, in denen sie ganz kümmerlich und fahrig Alfred Polgar und Erich Kästner vorlas, grauenhaft hölzerne billige eigene Witzchen aus der untersten Schulblade riß, wobei sie auch noch die Pointen verhaute und ihre weiblichen Gäste desavouierte. Der Tiefpunkt waren zum endlichen Überfluß mit „Für mich soll´s rote Rosen regnen“ und „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ so peinlich schiefe (Ab)Gesänge, daß es einen nur noch grauste. Alle – Publikum wie Künstlerin schienen nur noch das Ende der unschönen Veranstaltung herbeizusehen. Der Rezensent zumindest floh nach 80 quälenden Minuten im Gleichschritt mit der Kollegin eines anderen Blattes den Ort verschwendeter Lebenszeit.
 
Für diese Mogelpackung, die ihrem Anspruch auch nicht annähernd gerecht wurde und für den schäbigen Rahmen hatten die Zuschauer nicht bezahlt. So vergrault man Publikum. Man fragt sich ernsthaft, ob die Eitelkeit von (gefeierten) Künstlern verhindert, daß sie spüren, wie schlecht sie sind - oder ist es ihnen wurst? Die Musenblätter raten vom Besuch ab, denn so lockt das Weib nicht - und verleihen dem Programm den wirklich seltenen „Musenblattschuß“.