Macht müde Männer (und Mädchen) munter
Vor kurzem haben wir Ihnen Stan Getz mit einem Doppelalbum von zwei Jazz / Bossa-Platten vorgestellt, darunter sein legendäres „Jazz Samba“ aus dem Februar 1962, das zu den schönsten Aufnahmen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt. Im selben Jahr nahmen mit großartigen Besetzungen auch Dave Brubeck („Bossa Nova U.S.A.“) und Quincy Jones („Big Band Bossa Nova“) ihre kaum weniger berühmt gewordenen Bossa Nova-Alben auf. Der Virus hatte sie alle gepackt. Das Label Essential Jazz Classics hat, wie auch schon „Jazz Samba“, beiden Alben in ausgezeichneter Qualität Wiederveröffentlichungen gewidmet.
Im August/September 1962 ging Quincy Jones für Verve Records mit einem Allstar-Aufgebot ins Studio: Clark Terry (tp, flh), Roland Kirk (fl, ts, stritch), Jerome Richardson (fl, afl), Phil Woods (as), Paul Gonsalves (ts), Lalo Schifrin (p), Jim Hall (g), Chris White (b), Rudy Collins (dr) gehörten dazu. Schon im November/Dezember 1961 hatte er mit ähnlicher Besetzung + u.a. Freddie Hubbard (tp), Oliver Nelson (ts), Milt Hinton (b), Thad Jones (tp), Frank Wess (cl) „The Quintessence“ eingespielt, das als Extra mit auf die Re-Issue genommen wurde. Haupt- und Kernanliegen der Herausgeber aber ist wohl „Big Band Bossa Nova“ – und as reißt noch immer mit, beginnend mit einer Quincy Jones Komposition, dem Ohrwurm „Soul Bossa Nova“, bis heute ein Standard bei allen Radiosendern. Charles Mingus steuerte „Boogie Bossa Nova“ zu den elf Titeln von u.a. A.C. Jobim, Luiz Bonfa, Leroy Anderson („Serenata“), Lalo Schifrin („Lalo Bossa Nova“) und Frederick Loewe (!) bei, dessen „On The Street Where You Live“ zur Samba wurde. Fetzige, oft tanzbare Bossas, Rumbas, Sambas und Slowfox´ auf solider Big Band Jazzbasis sind dabei herausgekommen, heute so hörenswert wie vor 51 Jahren. Das „hörenswert“ gilt ebenso für das 1961 für das Label „impulse!“ aufgenommene klassische Big Band Album „The Quintessence“ mit seinen acht brillanten Arrangements von Titeln von Quincy Jones selbst, Benny Golson Thelonious Monk und Billy Byers, alle arrangiert von Jones. Vier Bonus-Titel füllen diese Mainstream-Wundertüte bis zum Rand. Ein Genuß!
Dave Brubeck, mit seinem Quartett (Paul Desmond, as - Gene Wright, b - Joe Morello, dr) mehr dem kammermusikalischen Cool Jazz verschrieben, verzichtet weitgehend auf brasilianische Zitate. Überwiegend eigene Stücke, geadelt durch den großartig unterkühlten Altsaxophonisten Paul Desmond, dem Brubeck zum Großteil seinen einzigartigen Sound verdankt, belegen, daß er die Sprache des Bossa Nova sehr wohl versteht, ihm den eigenen Stempel aufdrücken kann. Das unterstreicht auch Joe Morello rhythmisch am Schlagzeug gleich im Opener, dem Titelstück „Bossa Nova U.S.A.“ aus Brubecks Feder. Selten bekommt man so gepflegten Jazz zu hören, wie von diesem Quartett – in „Vento Fresco“ und Hugh Martins „Trolley Song“ setzt sich das nahtlos fort. „Sophisticated“ nennt man es im Englischen, einen auch nur annähernd passenden Begriff hat das Deutsche noch nicht gefunden. Die zehn Titel der Original-LP gehören längst zum Kanon des Cool Jazz. Für die Neuauflage haben die Herausgeber von Essential Jazz sieben Bonus-Titel hinzugefügt, die 1962 bei den Plattenaufnehmen für Columbia zwar aufgezeichnet, aber nicht berücksichtigt wurden. Hier handelt es sich in der Mehrzahl um Kompositionen von Richard Rodgers, denen Brubeck spritzigen Swing verpaßt.
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