Glanz und Elend
einer europäischen Herrscherdynastie Die Mannheimer Reiss-Engelhorn- Museen zeigen „Die Medici“ Fast reflexartig verbindet sich mit Florenz der Name der Medici, jener Familie, die mehr als drei Jahrhunderte maßgeblich die Geschicke dieser toskanischen Metropole bestimmt hat. Ihr widmet das „Museum Weltkulturen“ der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen eine breit angelegte Ausstellung, die den Besuchern anschaulich die Höhen und Tiefen, den Glanz und das Elend dieser Dynastie vor Augen führt. Dabei spannen die Kuratoren den Bogen vom Gründungsvater Giovanni di Bicci (1360-1428) bis zur letzten Medici, der Kurfürstin Anna Maria Luisa (Ludovica) von der Pfalz (1667-1743), die nach dem Tod ihres Mannes Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz („Jan Wellem“) Deutschland 1717 verließ und nach Florenz zurückkehrte. Ihr Verdienst war es, daß nach ihrem Tod die immensen Kunstschätze, die die Medici im Laufe der Jahrhunderte angehäuft hatten, nicht in alle Winde verstreut wurden, sondern dauerhaft in Florenz verblieben.
Chronische Krankheiten und mysteriöse Todesfälle
Die breit angelegte Mannheimer Schau bietet eine Fülle an hochinteressantem Anschauungs- und Informationsmaterial, und zwar gleichermaßen für Besucher, die sich für geschichtliche Ereignisse in Florenz zwischen 1400 und 1750 interessieren, die mehr über die Familiengeschichte der Medici erfahren möchten und sich dabei Aufklärung über manch rätselhaften Todesfall versprechen oder die ihre kultur- und kunstgeschichtlichen Kenntnisse vertiefen möchten. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen aber nicht die Medici als Förderer der Künste, die als solche einen entscheidenden Anteil an der Entfaltung der Renaissance in Italien hatten, sondern die Menschen mit ihren unterschiedlichen Charakteren, Eigenschaften und Ambitionen, auch ihren Leiden und ihrem Sterben. Gerade dem letzten Aspekt schenkt die Mannheimer Ausstellung ein besonderes Augenmerk. Denn der Dreh- und Angelpunkt sind die Ergebnisse einer Forschungskooperation zwischen den Reiss-Engelhorn-Museen und der Universität Florenz, die darauf zielte, Lebensumstände, Krankheiten und Todesursachen prominenter Medici zu eruieren. Dazu wurden in S. Lorenzo, der Grablege der Familie, etliche Gräber geöffnet und die sterblichen Überreste mit Methoden der sog. Paläopathologie untersucht. Dabei konnte der Nachweis erbracht werden, daß mancher Medici keineswegs jene repräsentative Erscheinung war, als die sie sich auf offiziellen Porträts präsentiert, sondern unter chronischen Erkrankungen litt.
So gilt die Gicht als familientypisches Krankheitsbild, und es ist kein Zufall, daß Piero de’ Medici (1416-69), der Vater von Lorenzo Il Magnifico („dem Prächtigen“), sogar den Beinamen Il Gottoso, „der Gichtige“, trug. Heute gilt als erwiesen, daß es sich nicht um Gicht handelte, sondern um Arthritis. Andere typische Krankheiten der Medici waren die Schuppenflechte und schwere Schädigungen des Knochenapparates. Nicht alle Medici starben eines natürlichen Todes, galten doch – in Übereinstimmung mit Niccolò Machiavellis politischer Philosophie – Treulosigkeit, Verrat und sogar Mord als akzeptable Mittel erfolgreichen Handelns auf der Bühne von Macht und Herrschaft. Starben der sechsunddreißigjährige Großherzog Francesco I. (1541-87) und dessen zweite Frau, seine frühere Maitresse Bianca Cappello, innerhalb kürzester Zeit gemäß offizieller Lesart an Malaria, oder wurden beide mit Arsen vergiftet? Obwohl das am 16.02.2013 auf „Arte“ gesendete zweiteilige Doku-Drama „Mord im Hause Medici“ die Gift-Version favorisiert, gibt es auf diese Frage bislang keine eindeutige Antwort, ebenso wenig wie die Mordgeschichten um andere Familienmitglieder der Medici, etwa zweier Töchter und einer Schwiegertochter des ersten Großherzogs der Toskana, Cosimo I. (1519-74), geklärt werden konnten, da ihre Gräber bisher nicht identifiziert wurden. Unterschiedlichste Exponate
Abgesehen von einem großen Stammbaum, der das komplizierte familiäre Geflecht der Medici zu
Zu den ganz unterschiedlichen Exponaten gehören neben Bildern und Skulpturen Rüstungen, Schmuck, Prunkgewänder, Handschriften und Bücher, Medaillen und Numismatika, auch ein Nachbau des Fernglases von Galileo Galilei, der seine bahnbrechende astronomische Schrift „Sidereus Nuncius“ (Der Sternbote) dem Großherzog der Toskana gewidmet hatte. Ergänzt werden diese Artefakte durch Abgüsse von Schädeln verschiedener Mitglieder der Medici-Familie, darunter jener des berühmtesten aller Medici, des Lorenzo Il Magnifico (1449-1492), unter dem die Florentiner Frührenaissance zur höchsten Blüte gelangte, und der letzten aus der Dynastie der Medici, der eingangs erwähnten Anna Maria Luisa (Ludovica) von der Pfalz, die zusammen mit ihrem Mann Johann Wilhelm in Düsseldorf residierte, wo sich die damals berühmte Gemäldegalerie mit einer erlesenen Kollektion hochkarätiger europäischer Kunstwerke befand, die später zum Teil den Grundstock der Alten Pinakothek in München gebildet hat.
Besuch der Originalschauplätze unersetzlich
Die Medici - Menschen, Macht und Leidenschaft
Reiss-Engelhorn-Museen
Museum der Weltkulturen
bis 28. Juli 2013 - täglich außer Montag, auch an Feiertagen, 11-18 Uhr
D5, 68159 Mannheim
Tel. 0621/293 31 50
Katalogbuch hrsg. v. Alfried Wieczorek, Gaelle Rosendahl, Donatella Lippi, 416. S., mehr als 300 Abb., Verlag Schnell & Steiner, ISBN 978-3-7954-2634-7
34,95 €
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