Stille Urnenbestattung

von Karl Otto Mühl

Foto © Jürgen Kasten
Stille Urnenbestattung
 
Das will ich doch festhalten: Heute Morgen im Stehcafé berichtete der mehrfache uneheliche Vater von seiner früheren Tätigkeit als Totengräber.

Da gab es einfache Urnenbestattungen,  „Stille Urnenbestattung“ nannte man das, bei denen er, fein gemacht mit schwarzem Schlips und weißem Hemd, die Urne vor sich hertrug. Auf der befand sich oben ein Blumengesteck, das sie teilweise verdeckte.
Ich weiß nicht, wie das genau aussah, aber einmal ist es ihm passiert, daß jemand das Gesteck oben auf einen Papierkorb gesteckt hatte, und das trug er vor sich her, auch dann noch, als er es zu seinem Schrecken bemerkt hatte.
Das sei seine bestgekleidete Zeit gewesen, sagte er. In Hamburg hätten die Totengräber sogar einen gekräuselten Kragen um den Hals, erwähnte er mit leisem Bedauern.
 
Am Grab angekommen, hatte er den Spruch aufzusagen:
                                  
                                   Wohlauf, wohlan,
                                   zum letzten Gang.
                                   Der Weg ist kurz,
                                   die Ruh ist lang.
                                   In Gottesnamen
                                   Amen.
 
Sogar als Model habe man ihn haben wollen, sagte er und blickte herausfordernd um sich. Wir Anderen fanden es schwierig, ihm hier Glauben zu schenken.
 
 
© 2013 Karl Otto Mühl - Erstveröffentlichung in den Musenblättern