„Die Unkündbaren – Letzter Einruf Basse Wessel“

Ein tieftrauriger, urkomischer Abend über das Theater

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Frau Basse, für das
Babygeschrei
bitte zur Bühne!
 
Ein tieftrauriger, urkomischer
Abend über das Theater
 
 
Da kommt schon Wehmut auf, wenn man im kläglichen Rest des einst glänzenden, emsig summenden und zu den besten deutschen Theatern zählenden Wuppertaler Schauspielhauses sitzt, um sich einen tiefgründig amüsanten Schwanengesang auf das Theater anzuschauen. Dem Verfall preisgegeben dämmert das von Gerhard Graubner entworfene, architektonisch berückende Haus seinem absehbaren, politisch gewollten Ende entgegen, unwillkürlich sucht der Blick im düsteren Foyer nach dem für den Dornröschenschlaf verantwortlichen Spinnrocken. Von Intendanten wie Arno Wüstenhöfer, Hellmuth Matiasek und Holk Freytag zu internationaler Bedeutung geführt und von Gerd Leo Kuck unter wirtschaftlichem Druck in wenigen Jahren herabgewirtschaftet, dümpelt das Wuppertaler Schauspiel trotz guter Kräfte und Ideen am Rande der politisch gewollten Bedeutungslosigkeit.
Kaum noch atmen die Gänge des geradezu ideal in einem Wupperbogen gelegenen Hauses das einstige Leben. Die Geschäftigkeit von Garderoben, Fundus, Maske, Probenräumen und dem Herzen eines jeden Theaters, der Kantine, in der sich das halbe, oft das ganze Leben der Schauspieler zutrug, ist dahin.
 
Kantinengespräche
 
Genau dorthin, in die Kantine nämlich führt der begeistert aufgenommene Zweipersonen-Abend „Die Unkündbaren – Letzter Einruf Basse Wessel“, der gestern im zum letzten Mal bespielten Foyer des Wuppertaler Schauspielhauses seine Premiere feierte. Die Schauspieler Sophie Basse und Lutz Wessel haben unter der Regie von Claudia Schulz und mit der dramaturgischen Unterstützung von Sven Kleine liebevoll ein gleichermaßen amüsantes wie melancholisches Kammerspiel erarbeitet, das voller Wehmut, saftiger Spielfreude und herrlicher Ironie das Theater von innen vorführt. Tiefschürfend, dramatisch, ja tragisch und urkomisch – da ist alles drin.
Was Helmut Qualtinger in seinem immer wieder gern gesehenem Sketch „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben“ unsterblich gemacht hat - zwei alternde Mimen unterhalten sich dort beim Abschminken über ihre tragisch erfolglose Theater-Karriere (allein Aussig, Tetschen-Bodenbach, Mährisch-Ostrau, Duxburg-Skomodau, Bunzlau, Bielitz, Reichenberg, Teplitz-Schönau, Leitmeritz, Zweibrücken, die Orte der Engagements sind durch ihre Nennung Pointen voller liebenswertem Humor und tiefer Wehmut, ein Kabinettstück des Theaters über das Theater) – findet hier eine brillant gelebte, zitatenreich witzige Fortsetzung.


Lutz Wessel, Sophie Basse - Foto © Tom Buber
 
Quietschend komisch und tieftraurig
 
Zwei eigentlich heute nicht mehr denkbare, weil unkündbare Stadttheater-Schauspieler, die vor über 30 Jahren ihre Karriere gemeinsam an diesem Haus begonnen hatten, sitzen in der nämlichen Kantine, feiern die (aller)letzte Vorstellung, echauffieren sich über Regietheater und den natürlich unbegabten Nachwuchs „Die ganzen jungen Dinger, auf einmal sind sie da…!“ und erinnern sich in Theatertexten und Parodien an die „guten“ Zeiten. Mit brillant zusammengestellten Auszügen aus „Kabale und Liebe“, „Prinz von Homburg“, „Der zerbrochne Krug“, „Macbeth“, Faust I, „Biedermann und die Brandstifter“ und „Romeo und Julia“ lassen sie das klassische Theater Revue passieren. Regielegenden wie u.a. Fritz Kortner und Kollegenhäme werden parodiert, die heimlichen, unerfüllten Träume offenbart und in einer köstlichen Rückblende die Sünde vorgeführt, die so mancher Mime und etliche Damen vom Bau begangen haben: in eigener Überschätzung einen Heinz Erhardt-Abend bzw. ein Edith-Piaf-Programm zu versuchen. Das ist dank unverblümter Ironie zugleich quietschend komisch und tieftraurig.
 
Ein kostbarer Abend
 
Sophie Basse und Lutz Wessel geben in geradezu explosiver Lust am Spiel alles, reißen in 75 atemlosen Minuten ohne Pause ihr Fach- und Theaterpublikum in prachtvollen Mono- und Dialogen bis zum tragikomischen Ende dramatisch mit und zu Lachstürmen hin.  
„Frau Basse, Herr Wessel für das Ende bereithalten – Sie sind gleich dran.“ Letzter Einruf Basse/Wessel – man möchte weinen. Schauspieler, Theaterleute, Theaterfreunde sollten diesen kostbaren Abend nicht versäumen. Von den Musenblättern empfohlen und mit dem Musenkuß ausgezeichnet!


„Frau Basse, Herr Wessel für das Ende bereithalten – Sie sind gleich dran.“ - Foto © Tom Buber
 
Die nächsten Aufführungen sind morgen Abend, Freitag, 10.5.2013, 20.00 Uhr im Schauspielhaus an der Bundesallee in Wuppertal-Elberfeld, am Samstag, 11.5. und am 26.5. zu sehen. Die Dernière gibt es am 28. Juni.
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de