Ein fragwürdiger Gast Nachdem in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts der Diogenes-Verlag in seiner Kleinbuchreihe „Diogenes Tabu“ mehrere Geschichten von Edward Gorey (1925-2000) veröffentlicht und weitaus mehr Entzücken als Entsetzen beim Publikum ausgelöst hatte, mutete sogar die seriöse deutsche Wochenzeitschrift „Die Zeit“ in den 70er Jahren ihrer Leserschaft Goreys Bilderfolgen zu. Das Vertrauen auf die Abgründe im Menschen und auf seine ausschweifende Phantasie zahlte sich aus. Die Fan-Gemeinde wuchs und wuchs, und in der Tat waren die im Stil des fin de siècle angelegten Bilder mit ihrer an Alfred Kubin erinnernden düsteren und unheilschwangeren Atmosphäre glänzende Beweise großer Zeichenkunst. Besonderen Erfolg hatten die Geschichten„Eine Harfe ohne Saiten“ und „Der zweifelhafte Gast“. Letzteres ist nun in einer bibliophilen Neu-Ausgabe, in (Knüttel-)Versmaß übersetzt von Alex Stern, unter dem Titel „Ein fragwürdiger Gast“ im Düsseldorfer Lilienfeld Verlag erschienen.
Eines Abends stellt sich bei einer vornehmen Familie ein pechschwarzes Wesen, eine Mischung aus Pinguin und Golfschläger, ein, angetan mit einem langen gestreiften Schal und weißen Tennisschuhen. Hartnäckig quartiert es sich in der Villa ein und befremdet durch absonderliches Gebaren. Beispielsweise verspeist es Geschirr, stellt sich in den Kamin und behindert das Bad am Samstag durch Beseitigung der Trockentücher. Lästiger Schabernack und permanente Störungen begleiten das Familienleben durch die Jahre, wobei die Furcht vor schlimmeren Überraschungen immer mitschwingt. Wird der Gast niemals Abschied nehmen? Der lapidare Schluß macht wenig Hoffnung:
„Vor siebzehn Jahren ist es gekommen – und bis zu diesem Tag / Zeigte es mit keiner Regung, daß es wieder fortgehen mag“.
Daß es bleiben könnte, auch die nächsten siebzehn Jahre, wird auch dadurch sichtbar, daß das
Das Büchlein ist eine kleine Kostbarkeit. Edward Gorey – „Ein fragwürdiger Gast“
© 2013 Lilienfeld Verlag, 32 Seiten, 12º quer, Halbleinen mit Fadenheftung
12,90 € (D), 22,80 sFr
Weitere Informationen: www.lilienfeld-verlag.de
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