TRIO GRANDE Mit den hier vorgestellten CDs von Dieter Nuhr, Moritz Netenjakob und Hagen Rether sehnt sich der gestresste Autofahrer geradezu den Stau herbei. Hervorragende Silberlinge, die Appetit auf mehr machen. Es gibt durchaus auch anspruchsvolles Kabarett neben all der seichten Volksverblödungs-Comedy jener Kommerz-Sender; bei denen das sogenannte „Programm“, wie ein kluger Kommentator mal sagte, „eigentlich nur die Schleimspur zwischen den Werbeblöcken“ ist. Das belegen die Programme von Dieter Nuhr, Moritz Netenjakob und Hagen Rether par excellence. Vielleicht sind solche Kabarettisten ja auch die einzige und letzte Rechtfertigung für die Rundfunk-und Fernsehgebühren der Öffentlich Rechtlichen, wo sie ja gottseidank regelmäßig zu sehen sind. Selbstverständlich kann keine CD ein „Live“ ersetzen, aber ein Einstimmung ist sie fürwahr und als Geschenk mit Sicherheit hochdankenswert – an liebe Menschen, versteht sich. Außerdem machen sie jeden ärgerlichen Verkehrs-Stau zum amüsanten Hörerlebnis, den nur dann kann man ja im Auto konzentriert zuhören. Kabarett, das weder plätschert noch berieselt, sondern seine Hörer fesselt und mitreißt. Bravi!
NUHR DIE WAHRHEIT ...lautet das Motto bei Nuhr. Es ist natürlich in Wirklichkeit alles gelogen – wirklich alles? „Die Wahrheit ist oft unerfreulich, aber trotzdem wollen wir sie wissen“, lautet das Motto seines Programms, und blitzschnell ist Nuhr sarkastisch und politisch zugleich „Im Grunde bleibt der Sinn des Lebens: man sollte Spaß haben…man kommt zur Welt…irgendwann lebt man wieder ab und die Zeit dazwischen sollte man wirklich lustig füllen....viel besser als beispielsweise in Bagdad….weil da die Zeit zwischen Geburt und Tod natürlich viel schneller rum ist.“
Das ist es, was das Phänomen Dieter Nuhr ausmacht: mitten aus dem anscheinend oberflächlichen Plauderton des Smalltalks schießt er überraschend seine gespitzten Pfeile ab, und die treffen immer haargenau ins Schwarze: „Es wird ein Abend ohne Gewalt, ohne Drogen und ohne Rassismus – das habe ich so überlegt…weil ich ja Lehramt studiert hab… und ich habe gedacht Gewalt , Drogen, Rassismus…da hättest Du ja gleich an der Schule bleiben können….aber ich habe mir gedacht: Du trittst einfach lieber vor Freiwilligen auf…das ist schöner…motivierteres Publikum!“ Z.B. Thema Islam: „Ich hab mir extra noch nen Koran besorgt, um zu sehen was man sagen darf überhaupt zu dem Thema…und da ist dann auch nix übrig geblieben….muß man ja auch einfach mal so anerkennen, daß die Menschenrechtslage in diesem (Anm.: unserem) Land ja nun so ist, daß man nicht frei sprechen kann.“ Weiter: „Es ist das erste Mal seit 1945…in Deutschland…so, daß man Angst haben muß, daß wenn man was Falsches sagt, daß da einer kommt und einem physische Gewalt androht…“. Das sitzt. Vom Pfeil zur Kanonenkugel.
MULTIPLE SARKASMEN Moritz Netenjakobs Popularitätsgrad ist noch nicht so hoch (und er füllt noch nicht die ganz großen Säle wie Dieter Nuhr; nichts desto trotz muß er mit zu den Besten in unserem Lande gezählt werden. Netenjakob schaut dem, unserem Volk aufs Maul und aufs Gehirn, wenn er behauptet „Wir können uns nicht richtig freuen, wir Deutschen.“ Und er belegt den Fatalismus unseres Volkes mit köstlichen
Bekannt war Netenjakob bisher eher als Autor hinter der Bühne; Chefschreiber von "Switch" und "Wochenshow"; er hat an der TV-Serie „Stromberg“ mitgeschrieben und verfaßte Bühnenprogramme für Hella von Sinnen, Cordula Stratmann, Bernhard Hoecker, Bastian Pastewka und die Kölner Stunksitzungen. Der Kölner Stadtanzeiger lobte ihn: „bestes Solo-Debüt seit vielen Jahren.“
LIEBE Der dritte im heutigen Triumvirat ist mein persönlicher Favorit und heißt Hagen Rether. Seine erste CD ist ganz einfach „LIEBE“ betitelt (mittlerweile gibt es „LIEBE 2“). Er ist der leiseste von allen. Der Mann mit dem knappsten Text, aber mit den bösesten Pointen. Seine wohlüberlegten Worte (teilweise fast ins Mikro gehaucht) zergehen auf der Zunge und detonieren wie Feuerwerkskörper intelligenten, dabei höchst unterhaltsamen Gehirnschmalzes. Dabei begleitet er sich musikalisch am Pianoforte, wie weiland der große Hanns Dieter Hüsch an der Heimorgel. Subtil, mit wenigen Noten, die aber viel sagen.
Hier einige Beispiele. Zu seiner Vita:„Viele fragen mich immer…wieso heißt Dein Programm eigentlich LIEBE ? …meine Mutter sagte immer: LIEBE macht blind !…..mein Vater sagte: Wichsen macht blind !……Mir war bald klar: Blind würde ich ohnehin. ….also machste Kabarett!“ Weitere Informationen unter: www.wortart.de Redaktion: Frank Becker |