Federleichter Charme

Patrick Modiano / Jean-Jacques Sempé - „Catherine die kleine Tänzerin“

von Frank Becker

Hauchzarte Skizzen einer Kindheit
 
„Catherine die kleine Tänzerin“ –
eines der schönsten Bücher überhaupt
 
Dies ist ein Buch, wie es niemand, wirklich niemand außer Jean-Jacques Sempé angemessen illustrieren konnte. Beinahe möchte man so weit gehen zu behaupten, daß Patrick Modiano das zauberhafte Buch zu den Zeichnungen Sempés geschrieben habe. Zumindest aber ist er ein Bruder Sampés in Geist und Gefühl. Vor zwölf Jahren erstmals bei Diogenes erschienen, ist die bibliophile Neuauflage von Patrick Modianos „Catherine die kleine Tänzerin“ vom federleichten Charme, zugleich der Seelentiefe, welche Sempés Zeichnungen, sei es in seinen eigenen Büchern, sei es als Illustrator von Texten oder Buchumschlägen von u.a. Patrick Süskind, Françoise Dorner, René Goscinny auszeichnet.

Erzählt wird mit der erfüllenden Menschenliebe, die auch Sempés Werk charakterisiert. Patrick Modiano beherrscht die große Kunst, Erinnerungen an eine Kindheit mit den Augen eines Kindes zu wach werden zu lassen. Im Rahmen des Heute und Jetzt der Erzählerin, in deren Rolle er schlüpft, zeichnet er das zarte Bild einer unbeschwerten Kindheit mit ihren kleinen und großen Abenteuern so, wie sie nur ein Kind erleben kann. Das gelingt ihm, nicht zuletzt auch dank der 33 feinfühligen teils ganzseitigen farbigen Illustrationen und Vignetten Sempés so schön, daß auf dem Gesicht des Lesers, auch noch lange danach, ein verklärtes Lächeln zurückbleibt. Besser kann es nicht sein.
Catherine wächst beschützt und geliebt im Pariser Haushalt des Vaters auf, dessen Profession dem Kind (und gezielt ein wenig auch dem erwachsenen Leser) im Wesentlichen verborgen bleibt. Andeutungen lassen dabei ein ganz klein wenig anrüchiges Geschäftsleben ahnen, das aber nie bedeutsam wird. Monsieur Georges Certitude, der in der Vergangenheit gelegentlich auch schon den Namen gewechselt hat und vom skurrilen Geschäftspartner Raymond Casterade in strenger Freundschaft kontrolliert wird, tut alles für seine Catherine und dafür, mit ihr „wenn alle Geschäfte erledigt sind“ zur Catherines Mutter nach New York zu ziehen, wohin die ehemalige Tänzerin das Heimweh zurückgetrieben hat.

Schule, Ballettstunden, Gespräche mit Papa und Mr. Casterade, die Partner der merkwürdigen „Geschäfte“, Catherines Tanzlehrerin Mme. Dismaïlova, die Bistros und Straßen von Paris werden hauchzart mit leichter Hand und doch so eindrücklich skizziert und kongenial von DAgmar Altrichter ins Deutsche übertragen, daß man sogleich und unmittelbar dabei ist. „Catherine die kleine Tänzerin“ gehört zu den sympathischsten, schönsten Büchern, die mir je in die Hand gekommen sind und ist, ohne kommenden literarischen Offenbarungen vorgreifen zu wollen, schon jetzt mein Buch des

© Jean-Jacques Sempé
Jahres. Mit einer herzlichen Empfehlung und unserer Auszeichnung, dem Musenkuß ausgestattet.

Patrick Modiano/Jean-Jacques Sempé – „Catherine die kleine Tänzerin“
Aus dem Französischen von Dagmar Altrichter

© 1991/2013 Diogenes Verlag
Halbleinen, 77 farbig illustrierte Seiten
ISBN 978-3-257-01162-3
14,90 € 
 
Weitere Informationen:
 www.diogenes.ch