Alle Dreieinigkeiten
wollen nur das eine Was soll man dazu sagen? Wer kennt sich mit den Dreieinigkeiten aus? Wen kann man noch mit dem Dreamteam der katholischen Kirche hinter dem Ofen hervor locken? Machen wir uns nichts vor. Das Kompetenzteam Gottes ist doch in seinen unterschiedlichen Aufgaben schwer vermittelbar. Warum eigentlich? Ich wollte jetzt kürzlich in Münster einen Kaffee trinken. Ein Neubau wurde eingeweiht. Er war gebaut worden, um Kinder des Münsteraner Domchors auf Vordermann zu bringen. Ein kleiner Empfang mit einer kleinen Feier sollte die fehlende Nestwärme ersetzen. „Kaffee will der feine Herr?“ Herr Wagner hielt mich auf Abstand. Er blickte sich um. Nichts stand an seinem Platz, selbst die Küche war ein Provisorium. Da kam ich ihm gerade recht. „Ich will mal sehen, was ich tun kann“, sagte der Mann mit der schwarzen Brille. Er wußte nicht, wer ich war und konnte meine Funktion an dem heutigen Tag nicht begreifen. Ich war mir ja auch unsicher, was ich dort sollte. Irgendjemand hatte mir gesagt, ich solle dort Glanz verbreiten. Nun stand ich im Wege. Wer wichtig ist, sah anders aus. Herr Wagner ließ mich im Flur zurück.
Überall standen Türen offen, als brauchte niemand hier Ruhe und Abgeschiedenheit. In leeren Räumen standen Umzugskisten, in Lampenfassungen fehlten Birnen. Es roch nach Farbe und nicht nach Kaffee. Zu schnell kam Herr Wagner wieder und hob die Hände. „Ich habe zwar die Kaffeemaschine mit dem Kaffee gefunden, aber keine Filtertüten.“ Ich nickte enttäuscht. Wie tröstlich wäre nun ein Kaffee in diesen ungemütlichen Haus gewesen. Herr Wagner sah meine Enttäuschung. „Es hätte auch schlimmer kommen können“, seufzte er. „Wer kennt nicht die Geschichte vom Kaffeepulver und den Filtertüten, die nicht benutzt werden können, weil die Kaffeemaschine noch in irgendeiner Umzugskiste steckt? Haben wir alles schon gehabt.“ Ich gab ihm Recht. „Kaffeepulver und Filtertüten sind da, aber nirgendwo ist eine Kaffeemaschine? Wie peinlich ist das denn?“ Herr Wagner nickte. Meine Enttäuschung weckte Beschützerinstinkte. Er kam näher. Ich konnte sein Rasierwasser riechen. „Jetzt, wo wir darüber reden, kann ich noch etwas beisteuern. Da wartete also eine Kaffeemaschine auf ihren Einsatz, selbst Filtertüten waren aufgetaucht und dann mußte alles in die Röhre schauen, da das Kaffeepulver aufgebraucht war.“
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Was nützt einem die beste Kaffeemaschine und megadurchlässige Filtertüten, wenn sich irgendwelche Schussel darauf verlassen haben, daß schon andere Schussel die leere Kaffeebox füllen werden?“ Herr Wagner und ich schauten uns erschrocken an. Wir ahnten, daß etwas Wichtiges geschehen war. Wir waren einem Geheimnis auf die Spur gekommen, trauten uns aber nun nicht, unsere Gedankenspiele zu Ende zu führen. Wer kann schon mit der Wahrheit umgehen? Das Begreifen von Geheimwissen kann zu heftigen Veränderungen führen, die man zu bestimmten Zeiten überhaupt nicht gebrauchen kann. Wer Gott begreift, muß sein Leben ändern. Und das war doch die Tür, die Herr Wagner und ich gerade aufgestoßen hatten. Wir sprachen von der Einheit Gottes, mehr noch, wir sprachen von seiner Dreieinigkeit. Wir begriffen Gott Vater, Gott Sohn und den heiligen Geist.
Was wären denn die Kaffeemaschine und das Kaffeepulver ohne seine Filtertüten? Nicht durchdachtes Blendwerk, dem das Entscheidende fehlt. Was wäre denn die Kaffeemaschine mit ihren Filtertüten, wenn es dazu kein Kaffeepulver geben würde? Beziehungslose Äußerlichkeit ohne Geschmack. Wenn diesen drei Elementen des täglichen Morgenrituals nur ein Teil fehlte, war die Welt dem Untergang geweiht. Ich hielt inne, ich verstand plötzlich, wie wichtig auch die Melitta-Filtertüte bei dem Konzert des Ganzen war. Gott liebte die Triangel. Er gab auch dem Paukisten sein Solo. Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Es war immer wieder erstaunlich, wie Gott uns durch den Alltag seine Gegenwart und die Dreieinigkeit gezeigt hat. Ich dachte, zum Beispiel, an die Rasur mit Rasierer, Rasierschaum und After Shave. „Und was wäre die Konfitüre mit der Marmelade, aber ohne den Gelee?“, fragte Herr Wagner plötzlich, als wäre er mit meinen Gedanken vertraut. Ich schaute ihn an. Die Konfitüre braucht nicht die Marmelade zu ihrem Glück und die Marmelade kommt auch ganz gut ohne das Gelee aus. Herr Wagner lächelte, als er meinen Blick abfing. Ich verstand, er hatte mich nur testen wollen. Wer mit offenen Augen um sich blickte, sah überall Gott. Ich schaute Herrn Wagner an. Ich sah, daß er mich umarmen wollte. Ungern wollte ich so weit gehen. Man kann sich auch verstehen, wenn man Abstand hält. Plötzlich roch es nach Kaffee. Wie es aussah, hatte doch noch jemand die Filtertüten für das Kaffeepulver zu der Kaffeemaschine gefunden.
Wir umarmten uns. Einem Wunder kann man nicht gleichgültig gegenüberstehen.
© 2013 Erwin Grosche
Erstveröffentlichung in den Musenblättern
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