Fesselndes Kammerspiel im TiC-Theater

„Love Letters“ von Albert Ramsdell Gurney

von Frank Becker

Foto © Martin Mazur

Ein fesselndes Kammerspiel
 
Love Letters
von Albert Ramsdell Gurney
 
Mit: Beate Rüter (Melissa Gardener) und Hans-Willi Lukas (Andrew Makepeace Ladd III)
Regie: Ralf Budde – Bühne: Iljas Enkaschew – Kostüme: Rika Langen
 
Es braucht schon zwei so hervorragende, erfahrene Solisten wie Beate Rüter und Hans-Willi Lukas, sowie eine feinfühlige Inszenierung, um gemeinsam ein fast zweistündiges Zweipersonen-Stück ohne Einbrüche oder Längen, dafür aber mit anhaltender Faszination und grandioser Katharsis auf die Bühne zu bringen. Genau das ist zu sehen, zu erleben und mitzuempfinden in Ralf Buddes zärtlicher Inszenierung des tiefgründigen Kammerspiels „Love Letters“ aus der Feder des amerikanischen Dramatikers Albert Ramsdell Gurney.
Weit im Gestern beginnt der Ferndialog zwischen Melissa und Andrew, Schulfreunde, die sich in der Klasse Zettelchen zustecken, mit kleinen gegenseitigen Frechheiten erste Verliebtheit übertünchen und brave amerikanische Kinder dem von den Eltern geplanten Pfad folgen. Ferienlager, Sehnsucht nacheinander, verpatzte Gelegenheiten, Widerstände der sozialen Umgebung – sie erleben das ebenso wie die Trennung durch Studium, Andrews Militärzeit in Europa und Asien, Melissas Kunstkarriere, Wohnungswechsel von Ost nach West und vice versa in den Weiten der USA.
 
Ein bißchen ist es die Geschichte von den Königskindern, die nicht zusammenkommen können, stets begleitet von dem Song „I´m Gonna Sit Right Down And Write Myself A Letter (and make believe it came from you)“ (Musik: Fred E. Ahlert / Text: Joe Young) in etlichen Versionen. Mit sprühendem Charme und stets fern voneinander sitzen Andrew und Melissa in den Relikten der Vergangenen – ein jeder für sich - zwischen aufbewahrten Karten und Briefen inmitten ihrer Erinnerungen, in denen sie beim Lesen schwelgen – mit ihnen ein mehr und mehr in diese beiden Leben hineingezogenes Publikum. Liebschaften kommen und gehen, Ehen werden geschlossen und geschieden, langes Schweigen wird von intensivem Austausch abgelöst. Irgendwann, fiebert man mit, irgendwann müssen sich doch die Wege der beiden auch physisch wieder kreuzen, spätestens, als musikdramaturgisch überraschend eingesetzt Ketty Lesters Version von „Love Letters“ (Musik Victor Young/Text Edward Heyman) für Gänsehaut sorgt. Als es schließlich wirklich zur Wiederbegegnung nach Jahren kommt, brechen alle Dämme – das Signal gibt wie ein Fanal der Freiheit „Come Fly With Me“ von Jimmy Van Heusen (Musik) / Sammy Kahn (Text) in der unvergleichlichen Version von Frank Sinatra. Doch dieser Song wird nur einmal auftauchen.
 
Monolithisch und doch verwundbar, hoffnungsvoll und feige zugleich gibt Hans-Willi Lukas den Sonny-Boy und Erfolgsmenschen, der die ersehnte Liebe schließlich der politischen Karriere opfert - und es nie verwindet. Eine außerordentliche Leistung. Äußerlich scheinbar überlegen und das Leben mit Augenzwinkern meisternd, tatsächlich aber zerbrechlich und an der falschen Lebensplanung scheiternd ist Beate Rüter eine Melissa, die tief bewegt. Große Kunst im ganz kleinen Rahmen auf einer von Iljas Enkaschew stimmungsvoll ausgestatteten Bühne. Daß es kein Happy End geben wird, darf verraten werden, ohne Spannung zu nehmen. Es wäre auch zu flach. Gurney hat ein brillantes dramatisches Ende gefunden, eine bis zum Schluß „aufgeschobene Peripetie“, wenn man so will, die Melissa und Andrew zu einer letzten, berührenden, endgültigen Gemeinsamkeit führt. Ein trauriger Schluß, der glücklich macht. Doch, das geht.
 

Beate Rüter, Hans-Willi Lukas - Foto © Martin Mazur
Schreiben Sie übrigens eigentlich noch Briefe und Karten – oder wann haben Sie zuletzt zur Feder gegriffen? Tun Sie es mal wieder, es ist die schönste Art der Kommunikation. „Love Letters“, eine Theaterempfehlung der Musenblätter.
 
Nächste Vorstellungen: 25. August, 31. August, 13. September, 24. September 2013
 
Weitere Informationen: www.tic-theater.de