Faszination Wüste

Carlos Crespo - „Badain Jaran - Die vergessene Wüste“

von Frank Becker

Faszination Wüste
 
Ein scheinbar unzugänglicher Fleck Erde und eine der unbekanntesten Gegenden der Welt: Der Schweizer Fotograf Carlos Crespo hat mit seinen faszinierenden schwarz/weiß-Bildern beeindruckende Impressionen der Badain Jaran-Wüste und ihrer letzten Nomaden im Grenzgebiet zwischen China und der Mongolei eingefangen. Bilder einer stillen, „von der Welt vergessenen“ Welt, die er ernsthaft gefährdet sieht.
 
Die kaum bekannte, durch ihre Unwirtlichkeit menschenleere und folglich wenig bereiste Badain Jaran in der chinesischen Autonomen Region Innere Monglei ist ein Teil des Gobi-Wüstenkomplexes. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 47.000 Quadratkilometern (das ist zum Vergleich die Größe von Bhutan, dem Bismarck-Archipel, Niedersachsens oder der Hälfte Portugals), womit sie die drittgrößte Wüste Chinas und die viertgrößte der Welt ist. In ihren scheinbar unendlichen lebensfeindlichen Weiten auf einer durchschnittlichen Höhe von ca. 1.000 m ü.M. türmen sich auf 83 % der Gesamtfläche Wanderdünen als wahre Sandgebirge bis zu einer Höhe von 200 m auf. Der Gipfel des Sandbergs Biluthu erreicht mit seinen 500 Metern eine Gesamthöhe von 1.610 Meter über NN – der höchste statische Sandberg der Welt. In den Senken und Ebenen gibt es weit über 100 kleine Seen mit hohem Salzgehalt, an deren Ufern sich

Foto © Carlos Crespo
bescheidene Vegetation und eine lebendige Fauna entwickeln konnte. Menschen können nur an den Rändern der Badain Jaran leben, wo sie als Hirten ihr bescheidenes Dasein fristen.
 
Carlos Crespo hat sich von der stillen Gewalt dieser sich wie ein gewaltiger Ozean aus Sand über das Land ausdehnenden Ödnis einfangen lassen, sie zwischen 2009 und 2012 mehrfach bereist und in einzigartigen Fotografien dokumentiert. Er hat ihre Bewohner besucht, mit ihnen gesprochen, sie portraitiert und dabei festgestellt, daß diese Welt nicht allein aufgrund eines einschneidenden demoskopischen Wandels dem Untergang geweiht ist. So sind die Fotos, die in einem hinreißenden Bildband bei Scheidegger & Spiess versammelt sind, Dokumente an einem Wendepunkt der Kulturgeschichte. Die durch die Entscheidung für Schwarz/Weiß besonders ausdrucksstarken Landschaftsfotografien und Porträts der mongolischen Wüstennomaden beschwören eine uralte, faszinierende, mystische Welt der Leere, in der ihre Bewohner sich seit Jahrhunderten mit der unwirtlichen Natur arrangieren. Das ewige, wiederkehrende Spiel von Licht und Schatten, die Imagination vom Fauchen des Windes und von ständigen Rieseln des Sandes, die magischen Spiegelungen der Landschaften in den spiegelglatten Oberflächen der Seen, die Topographie, die morgen schon anders aussehen kann und die förmlich mit Händen greifbare Stille fassen den Betrachter unmittelbar an. Crespo beschwört eindringlich damit nicht zuletzt die Notwendigkeit der Erhaltung solcher letzter menschenleerer Gebiete auf unserem Globus.


Foto © Carlos Crespo
 
„Badain Jaran - Die vergessene Wüste“
Fotografien von Carlos Crespo. Mit Beiträgen von Cathérine Hug und Bill Kouvenhouven
© 2013 Scheidegger & Spiess, 1. Auflage, 156 Seiten, 27 x 32 cm, gebunden, 102 Triplex-Abbildungen  -  ISBN 978-3-85881-382-4
68,- € / 79,- sfr


Foto © Carlos Crespo
 
Autoren & Herausgeber
Carlos Crespo (*1973), studierte Fotografie und klassische Musik. Er lebt und arbeitet als freier künstlerischer Fotograf in Zürich.
Cathérine Hug (*1976), Kunsthistorikerin und freie Kuratorin. Studium der Informatik, Publizistik und Kunstgeschichte an der Universität Zürich. 2000–2007 kuratorische Assistentin am Kunsthaus Zürich. 2005–2008 Assistant Art Limited der Art Basel. 
Bill Kouwenhoven lebt als Fotokritiker und Redaktor in Berlin und New York. Seit seinem Studium der Geisteswissenschaften in Baltimore intensive publizistische Tätigkeit für Fotozeitschriften wie Photo Metro oder HotShoe
 
 
 Foto © Carlos Crespo


Weitere Informationen: www.scheidegger-spiess.ch
 


Foto © Carlos Crespo