Sinti-Schnitzel?

Ein offenes Wort

von Frank Becker

Foto © Silke Kesting
Sinti-Schnitzel?
 
Ältere Fußballfans erinnern sich vielleicht noch, daß 1958 in deutschen Restaurants die so beliebte „Schwedenplatte“ von vielen Speisekarten gestrichen wurde. Der Grund war nicht etwa, daß sich Schweden darüber beschwert hatten, sondern es war ein Reaktion auf die unfaire Behandlung der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Schweden durch das schwedische Publikum. Da wollte keiner mehr die leckeren Fischchen aus dem Norden auf dem Teller haben. Ganz so weit braucht man in der Geschichte der Genußmittel nicht zurückzugreifen, wenn es um Negerküsse geht. Da schlug die sogenannte „political correctness“ blindlings zu und machte aus der Lieblings-Süßigkeit der deutschen Kinder plötzlich „Schaumküsse“. Was ist nur aus den wunderbar ekligen Negerkußbrötchen geworden, die wir in der Pause oder nach der Schule beim Kiosk gegenüber dem EvB fürs schmale Taschengeld gekauft haben? Und es hätte mal einer in unserer Gegenwart einen Neger verunglimpfen sollen, dem hätten wir ordentlich Bescheid gestoßen. Denn wir kannten keine negative Wertung von Hautfarben. Ein Neger war eben ein Neger – wertfrei. „Mein“ erster Neger war übrigens ein amerikanischer Soldat, der mir die erste Orange meines Lebens geschenkt hat, was bei mir das Wort Neger lebenslang positiv besetzt hat.
 
Ähnlich geht es mir mit Zigeunern, die ich nicht zuletzt wegen ihrer wundervollen Musik ins Herz geschlossen habe, mögen sie Wawau Adler, Gismo Graf, Michio Woirgardt, Giovanni Weiss, Kohe Reinhardt oder Mike Reinhardt heißen. Immer habe ich sie auch ein wenig um ihre Unabhängigkeit und Souveränität beneidet.
Nun war gestern in der Presse zu lesen, daß das „Forum für Sinti und Roma“ (wo bleiben die Jenischen?) fordert, die Zigeunersauce umzubenennen. In was, blieb ungesagt. Vielleicht in „Sinti-Sauce“? Soviel Dummheit macht mich traurig. Denn ebenso wie die Sauce sind auch das Zigeunerschnitzel und der Zigeunerbraten eine von allen geschätzte Bereicherung unserer Küche, und niemand sagt angewidert: „…brrr… Zigeunersauce, schlimm“. Im Gegenteil, es heißt „hmmm… Zigeunersauce“.
Und was, bitte, wird aus Emerich Kalmans Zigeunerbaron? Aus der Zigeuner-Tonleiter (Zigeuner-Moll)? Aus der Zigeunerkapelle, deren Primas man einen Geldschein auf die schweißnasse Stirn pappt und der einen Verdienstorden der Liebe verdient hätte und dem Zigeuner-Jazz eines Django Reinhardt? Muß sich jetzt auch der Zigeunerkönig (es gibt einen in Deutschland) umbenennen? Und muß die Evangelische Kirche ihren Zigeunerseelsorger nun Sinti-Roma-Jenischen-Seelsorger nennen? Wo bleibt die herrliche Romantik, die mit dem Begriff „Zigeuner“ verbunden ist?

Und was kommt als nächstes? Werden die italienischen Huren gegen das Rezept der „Spaghetti alla puttanesca“ auf die Barrikaden gehen und die deutschen Landwirte gegen das Bauernomelett?
Leute, es muß doch eine Grenze geben. Wollt ihr alles, aber auch alles im betroffenen Geseires vorgeblicher Korrektheit weichspülen? Nur zu, doch vernünftige Leute schütteln darüber den Kopf.