Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Von Wackeltischen
und geballtem Unglück


12. August: Der Wackeltisch - Ich bin Tischverbesserer. Ich verbessere jeden Tisch zu seinem Vorteil: Wackeltische zum Beispiel. Da wird nicht mehr hin und hergewackelt, als wären wir Gott in Frankreich. Halligalli, Zappelphilipp, alles rutscht und fließt über. Ich geb ihm sein Stehvermögen zurück, seine wahre Identität. Wackeltische brauchen eine starke Hand. Ich komme und nichts wackelt mehr. Manchmal sogar freiwillig. Mein ausgleichendes Wesen kommt mir da entgegen. Spielkarten, Bierdeckel, Dominosteine. Ich finde das Tischbein, und zack schiebe ich ihm was unter. Wackeltische warten nur darauf, daß sie jemand stoppt. Jedes Wackeln ist ein Hilfeschrei. Wenn ich sehe, daß ein Tisch wackelt, setz ich mich gar nicht dran. Ich kenne Wege und Tricks dem Tisch das Wackeln abzugewöhnen, da wären sie baff. Ich bin schon mit ganz anderen Tischen fertig geworden. Viele Wackeltische glauben, sie könnten mir auf dem Kopf herum tanzen und lassen randvoll gefüllte Weingläser spritzen und leckere Erbsensuppen überlaufen. Da müssen sie aber eher aufstehen. Ich hatte als Kind einen Wackeltisch, auf dem standen meine Meerschweinchen. Die dachten immer wir spielten Weltuntergang und Erdbeben. Ich habe früher so getanzt wie ein Wackeltisch wackelt. Meine erste Freundin, habe ich an einem Wackeltisch kennen gelernt, der hat so gewackelt, daß wir uns dauernd küssen mußten, quasi ein Wackelkontakt. Ich nur froh, daß ich nicht auf einem Wackeltisch eine Bombe entschärfen muß, sonst wackel ich danach selber.
 
14. August: Das Unglückshaus - Das ist das Unglückshaus. In das Unglückshaus tritt man durch die Unglückstür. Schnell folgt der Unglücksflur. Willkommen im Unglück. Im Unglücksflur hängen Unglücksbilder vom Unglücksraben. Aufgepaßt, dort geht es zum Unglückszimmer. Hier steht der Unglücksfernseher mit den Unglücksfilmen. In denen wird geweint und gute Tage findet niemand. In der Unglücksküche gibt es Unglücksspaghettis mit Unglückssoße. „Das hat nicht geschmeckt, da kotz ich in den Unglückseimer“, sagte der Unglücksrabe. Im Unglücksschlafssaal wird geschrien. Da werden Unglückswörter gesagt und Träume handeln vom Pech. An der Unglückswand ist ein Abdruck von einem Unglücksteller zu sehen und Reste von Unglückssoßen. Die gehen nie mehr ab. Die bleiben für alle Unglücksewigkeiten kleben. Würden Sie näher treten? Dort auf dem Unglückssofa aß die Unglücksfrau ihre Unglücksschokolade. Lieben Sie Unglückskissen? Darauf lag die Unglückskatze. Hier im Unglückskeller, neben der Unglückswaschmaschine fand man den Unglücksmann. Er hing an der Unglücksdecke und lächelte ein wenig.
 
16. August:
 
Der kleine Stuhl
 
 Kurz und gut
 der kleine Stuhl -
 gilt für kleine Leute
 Weit und breit
 der große Stuhl -
 darauf sitz ich heute
 
 Stark und fest
 der kleine Stuhl
 hat sogar vier Beine
 springt er rum
 wild wie ein Hund
 hol ich eine Leine



© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker