Paradies und Hölle

Hanna Jansen – „Zeit der Krabben“

von Jürgen Kasten

Paradies und Hölle
 
Nicht der Gestank von Fäulnis, Fisch und Moder ließ Cynthia aufwachen, das Scharren am und auf dem Haus war es. Die Zeit der Krabben begann. Die Weibchen machten sich aus ihren Höhlen in den Bergen auf, um im Meer ihre Eier abzulegen. Geräusche und Gestank waren Cynthia bekannt. Sie fühlte sich auf ihrer Insel in der Karibik wieder zu Hause. Ihre Internatszeit auf dem Festland war abgeschlossen. Jetzt konnte sie sich wieder ihrer jüngeren Schwester Alice widmen und ihrem Bruder John, der im Ort seine Militärzeit absolvierte und natürlich ihrer Mutter helfen, die eine kleine Pension und ein Restaurant betrieb. Vielleicht käme sie auch endlich Guignito näher, Johns Jugendfreund, der ebenfalls beim Militär war; aber alles daran setzte, um unehrenhaft entlassen zu werden.
Dann war da noch der heroinabhängige Perro und das italienische Ehepaar, das eine Tauchschule betrieb und natürlich Cynthias Vater, der sich jedoch sonstwo herumtrieb.
 
Hanna Jansen läßt die siebzehnjährige Cynthia die Geschichte der Insel und ihrer Menschen erzählen. Der Name der Insel wird nicht genannt, doch es gibt sie. Als Synonym soll sie stehen, für einen kleinen gesellschaftlichen Kosmos, wie er auch anderswo im größeren Rahmen existieren könnte. Und so beobachtet Cynthia und erzählt ihren uns unbekannten Zuhörern und damit dem Leser von Generations- und Rollenkonflikten, von politischen Machtkämpfen, Aberglaube, Rassismus, Sucht und Korruption, ebenso aber auch von Solidarität, Menschlichkeit und Liebe, dem Paradies und der Hölle zugleich.
Hanna Jansen vermittelt diese Gemengelage mit einfacher, schöner Sprache im sanften Fluß der Geschichte, die sich dramatisch steigert. Zwar ist alles fiktiv; aber doch mit einem realen Hintergrund, denn die 1946 geborene Autorin hat in ihrem Leben elf Kinder aus aller Welt in ihre Familie aufgenommen und viele ihrer Geschichten verinnerlicht.
Das Buch ist eine Mischung aus Gesellschafts- und Entwicklungsroman, fast ein Krimi, wobei Täter und Opfer gleichermaßen bemitleidenswert erscheinen. Der Roman ist nicht explizit als Jugendroman ausgewiesen, da er alle Generationen anspricht, doch halte ich ihn gerade für Jugendliche als besonders empfehlenswert.
Ein weiteres Kleinod im Peter Hammer Verlag, der auf Bücher aus der sogenannten dritten Welt spezialisiert ist.
Ich wünsche den Verlegern weiterhin ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Autoren und empfehle den Lesern dieses Buch mit unserer Auszeichnung, dem Musenkuß.
 
Hanna Jansen – „Zeit der Krabben“
© 2013 Peter Hammer Verlag, 185 Seiten, Klappenbroschur - ISBN: 978-3-7795-0477-1
€16.90 (D), € 17.40 (A), sFr 24.90 (CH)