Klangpracht mit Abstrichen

Wuppertaler Sinfonieorchester eröffnet neue Saison mit Carl Orffs „Carmina Burana“

von Daniel Diekhans

Klangpracht mit Abstrichen
 
Wuppertaler Sinfonieorchester eröffnet neue Saison
mit Carl Orffs „Carmina Burana“
(Weltliche Gesänge für Soli, Chor und Orchester)
 

Mitwirkende: Elena Fink, Sopran - Andreas Post, Tenor - Kay Stiefermann, Bariton
Wuppertaler Kurrende, Einstudierung: Dietrich Modersohn - Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal e.V., Einstudierung: Marieddy Rossetto
Sinfonieorchester Wuppertal, Ltg. Toshiyuki Kamioka
 
Carl Orffs „Carmina Burana“ stehen für eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Seit der Uraufführung 1937 haben seine Vertonungen mittelalterlicher Gedichte und Lieder die Konzertsäle der ganzen Welt erobert. Dank Film und Fernsehwerbung gehören die „Carmina“ heute zu den populärsten Werken der modernen Klassik. Auf die Zugkraft der farbenprächtigen Melodien und energischen Rhythmen setzt das Wuppertaler Sinfonieorchester gern. 2005 konnte der frischgebackene Orchesterchef Toshiyuki Kamioka mit den „Carmina Burana“ sein Publikum für sich gewinnen. Acht Jahre später eröffnen seine Sinfoniker mit Orffs Erfolgsstück die Saison 2013/14. Wie damals ist die Historische Stadthalle bis auf den letzten Platz besetzt. Doch die Stimmung ist diesmal eine andere. Die Idee des kommenden Opernintendanten Kamioka, das Solistenensemble aufzulösen, hat ihm in den letzten Wochen viel Kritik eingebracht. In seiner Ansprache kann und will Oberbürgermeister Peter Jung die schwelende Diskussion nicht aussparen. Dabei sieht er persönlich die Sache ganz entspannt: „Haben Sie einfach ein wenig Vertrauen.“ Denn Kamioka, so Jung, sei als Intendant genauso kompetent wie als Generalmusikdirektor. Unter ihm habe auch die Theaterpädagogik eine Zukunft. Wie diese Zukunft konkret aussehen soll, verrät Jung allerdings nicht. Lieber wirbt er abschließend noch einmal um Vertrauen. Peter Jungs Ansprache hinterläßt einen faden Beigeschmack. Und den Gedanken, daß einem so zur Schau getragene Sorglosigkeit wirklich Sorgen machen muß.
 
Allen Bedenken zum Trotz: The show must go on. Die Orchestermusiker treten auf. Die Sängerinnen und Sänger der Konzertgesellschaft füllen die Empore. Begeistert werden die Solisten und Dirigent Kamioka begrüßt. Der Auftakt scheint den großen Applaus zu rechtfertigen. Die Hymne auf die launische Glücksgöttin – „Fortuna imperatrix mundi“ – beeindruckt durch die konzentrierte Interpretation. Punktgenau setzen Bläser und Pauken ein. Bereitwillig folgt der Chor. Selbst im Pianissimo ist die Artikulation tadellos. „Toll!“ murmelt eine Zuschauerin, nachdem die letzten Töne verklungen sind. Leider wird der hohe Energielevel beim folgenden „Fortune plango vulnera“ nicht gehalten. Der Männerchor, der a cappella einsetzt, wirkt unsicher und angestrengt. Dieses Muster zieht sich durch die gesamte Aufführung. Gelungenes steht direkt neben weniger Gelungenem. Nach der fernöstlichen Einleitung von Flöte und Perkussion zelebriert der Chor in „Veris leta facies“ gekonnt den Frühling. Prächtig klingen die Frauenstimmen in „Floret silva nobilis“. Das Orchester darf sich in den Sätzen „Tanz“ und „Reie“ austoben. Kamioka gelingt es jedoch nicht immer, Chor und Orchester in der nötigen Balance zu halten. Besonders in den Abschnitten „In taberna“ und „Cour d’amours“ ist dies nicht zu überhören. Ohne Rücksicht auf Verluste übertönt hier die Orchesterstreitmacht die raffinierten Gesangslinien. Auch die jungen Sänger der Kurrende weiß der Dirigent nicht immer sicher anzuleiten. Bei „Amor volat undique“ geht manche Stimme eigene Wege. Mißtönend erklingt der Schlußakkord. Ein Lichtblick sind die drei Solisten. In „Omnia sol temperat“ schwingt in Kay Stiefermanns Stimme zwar noch eine gewisse Nervosität mit. Doch bei der italienisch gefärbten Baritonarie „Estuans interius“ ist er in seinem Element. Vergnügt lauscht man, wenn er in die Rolle des „Abts von Schlaraffenland“ schlüpft. Da trägt die jahrelange Erfahrung als Operninterpret Früchte. Gastsänger Andreas Post macht ebenfalls eine gute Figur. Unterstützt vom Männerchor, steigt der Tenor bei der komischen Arie „Olim lacus colueram“ gekonnt bis hinauf in den höchsten Falsett. Die größte stimmliche Palette deckt Sopranistin Elena Fink ab. „Stetit puella“ singt sie mit mädchenhaft zartem Organ. „In trutina“ fehlt es nicht an melodischem Schmelz. Selbst den mörderischen Koloraturen des „Dulcissime“ verleiht sie Kraft und Ausdruck. Spätestens jetzt ist der kritische Hörer halbwegs versöhnt und genießt einmal mehr die großartige Leistung des gesamten Ensembles beim finalen „Fortuna imperatrix mundi“.
 
Weitere Informationen unter: www.sinfonieorchester-wuppertal.de