Warum die 80er Jahre ganz allgemein nicht schön waren

Torsten Sträter – „Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben“

von Frank Becker

Ein Mann mit Lebenslauf
 
Eine wirkliche Biographie des Dortmunders Torsten Sträter läßt sich nur mühselig aus Versatzstücken diverser Web-Seiten zusammenstoppeln, wobei dann allerdings sichtbar wird, daß der jetzt mit einer geballten Ladung intelligenten Humors ans Publikum herantretende Autor (*1966) bis dato seine Berufung in Horrorgeschichten und in Poetry-Slams gesehen hat. Hört man ihn jedoch gelegentlich im Rundfunk oder nun auf seiner ersten CD „Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben“, muß man fragend konstatieren: warum nicht gleich?
 
Zwar stört der künstlich forcierte Eingangsjubel von 27 Sekunden, den er absolut nicht nötig hat mächtig, doch dann ist die Scheibe ein einziges Vergnügen. Zusammengestellt aus Höhepunkten seines Bühnenprogramms, glänzend ergänzt durch den Sprecher Martin Kessler, der ihm die Passage „Warum die 80er Jahre ganz allgemein nicht schön waren“ abnimmt und mit einem Appendix aus drei Studio-Lesungen abgerundet, ist das Album ein ganz großer Spaß. Apropos Martin Kessler: es ist schon recht unelegant, ja unhöflich, diesen hervorragenden Sprecher mit der markanten Stimme als „die deutsche Stimme von Vin Diesel und Nicholas Cage“ anzukündigen, anstatt als ihn selbst. Schwamm drüber, Kessler und Sträter (den übrigens ebenfalls eine sonore Stimme auszeichnet) hört man gerne zu, und es gibt eine Menge zu lachen, wenn sie mit Sträters Texten den Irrsinn des Alltags sezieren, über- und auf die Spitze treiben. Das ist beim Autofahren und gleichzeitigen Anhören etwas lästig, weil die Lachtränen fortwährend den Blick auf die Fahrbahn trüben.
Sträters Phantasie scheint keine Grenzen zu kennen, sein gelegentlich deftiger Humor trägt das gediegene Aroma Dortmunds, wie wir es auch von Frank Goosen (der ist zwar Bochumer) und Fritz Eckenga kennen. Das ist schon eine Empfehlung. Sträters intime Kenntnisse der 80er Jahre, der Interna von Klassenpflegschaften und des neuzeitlichen Kommerz-Fernsehens sind eine solide Basis für einen Realhumor, den er üppig mit Wahnsinn würzt. Sträter liest seine Texte, was man auf der CD natürlich nicht sieht – und es ist auch keine Schande, Horst Evers tut das ja auch. Wenn Sträter erst mal dessen Erfolg hat, kann er sich vielleicht auch ein Oberhemd leisten und eine heizbare Wohnung - der arme Mann muß derzeit noch im Unterhemd und mit Pudelmütze auftreten.
Das beigelegte 8-seitige Heftchen ist so klein gedruckt, daß vermutlich selbst Sträter es nur mit großer Mühe lesen könnte, da wurde an der falschen Stelle gespart. Hingegen wurde auch ein lustiger Bastelbogen beigelegt, aus dem man sich einen Torsten-Sträter-Hampelmann basteln kann. Man kann es aber auch lassen.
 
Trotz der genannten Minuspunkte verdient Torsten Sträters Debüt-Album nach dem Passauer Scharfrichter-Beil 2012, dem Publikums-Preis des Prix Pantheon 2013 und dem Sonderpreis der Tuttlinger Krähe auch den Musenkuß. Bitteschön.
 
Torsten Sträter – „Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben“
2013 Sony Music – 1 CD, Gesamtspieldauer  1:14:07
 
Weitere Informationen: www.feez.info  -  www.sonymusic.com