15 Museen würdigen den Kunsthändler Alfred Flechtheim

von Andreas Rehnolt

Rudolf Grossmann (1882-1941), Alfred Flechtheim,
1920er Jahre - © Stiftung Jüdisches Museum Berlin
15 Museen würdigen den Kunsthändler Alfred Flechtheim
 
Der legendäre jüdische Galerist verlor in der NS-Zeit Dutzende
kostbarer Bilder seiner weltberühmten Sammlung
 
 
Düsseldorf - Seit dem 9. Oktober widmet sich ein gemeinsames Ausstellungsprojekt von bundesweit 15 Museen der weltberühmten Sammlung Flechtheim. In Ausstellungen und Werkpräsentationen stellen sie Kunstwerke vor, die die Herkunft „Alfred Flechtheim“ aufweisen. Im Internet wird es zudem alle Arbeiten in einer Gesamtschau zu sehen geben. Das Projekt will die Wege der Kunstwerke in die Museen, das heißt ihre Provenienz oder Handelsgeschichte aufzeigen und auch an das Schicksal des legendären Kunsthändlers Alfred Flechtheim erinnern.
 
Der 1878 als Sohn eines jüdischen Getreidehändlers in Münster geborene Flechtheim gilt bis heute als der einflußreichste Galerist der Weimarer Republik. Sein Ruf als intimer Kenner vor allem der französischen Avantgarde-Szene hält bis heute an. Zudem war er nicht nur ein Liebhaber von Kunst, sondern wußte oft schon Jahre vor einem späteren Erfolg eines Künstlers, daß dieser sich bei Sammlern und Museen würde durchsetzen können. Am 9. Oktober 1913 eröffnete er in Düsseldorf seine erste Galerie. Das ist auch der Grund dafür, daß das Museumsprojekt genau hundert Jahre später genau in Düsseldorf, in der Kunstsammlung NRW startet. 
Seine weltweit bekannten Galerien in Düsseldorf und später in Berlin sowie zeitweilig in Köln und Frankfurt wurden von den Nazis liquidiert oder von früheren Teilhabern fortgeführt. Einige Bilder konnte Flechtheim - er flüchtete 1933 vor den Nationalsozialisten über die Schweiz und Paris nach London - ins Ausland transferieren. Als seine in Deutschland gebliebene Ehefrau sich 1941 in Berlin das Leben nahm, um einer Deportation in ein Vernichtungslager zu entgehen, wurden die dort verbliebenen Kunstwerke von den Nationalsozialisten beschlagnahmt oder gelten als verschollen. Auch seine Privatsammlung, zu der zahlreiche Werke von Pablo Picasso, Juan Gris oder Fernand Léger gehörten, löste sich ab 1933 unter der Nazi-Verfolgung auf.
 
Heute haben fast alle großen Museen in Deutschland Werke mit der Provenienz Flechtheim in ihren Beständen. Darunter Kunst etwa von Lovis Corinth, Paula Modersohn-Becker, Max Pechsstein, Fernand Léger, Henri Matisse, Edvard Munch oder Pablo Picasso. Die Bilder und Skulpturen aus den Flechtheim-Galerien prägen bis heute die jeweiligen Museumsprofile, hieß es im Vorfeld des Projekts. Einige dieser Werke beschäftigen als Fälle mutmaßlicher Nazi-Raubkunst seit mehreren Jahren die Anwälte. Für über 60 Bilder in deutschen Museen haben die Erben Flechtheims derzeit Forderung auf Rückgabe gestellt. Flechtheims Biograph Ottfried Dascher betonte 2011: „Es gibt keine einzige deutsche Sammlung der Gegenwart, die auch nur annähernd diese Bedeutung besäße.“
Die Verfahren auf Rückgabe einzelner Bilder aus dem Besitz Flechtheims ziehen sich mitunter über Jahre hin. Die Werke haben im Verlauf der Jahrzehnte häufig oft die Besitzer gewechselt, sodaß ihre Geschichte schwer zurückzuverfolgen ist. Vor genau zehn Jahren startete eine beratende Kommission zur NS-Raubkunst im Auftrag der Regierung damit, einzelne Fälle unter die Lupe zu nehmen. Gefragt wird danach, wann die Werke verkauft wurden, ob es sich um Enteignung handelte oder ob sie unter Wert veräußert wurden. Zuletzt mußte die Stadt Köln im Juni dieses Jahres ein wertvolles Kokoschka-Gemälde an Flechtheims Erben zurück geben.
 
Ein Hauptziel des Gesamtprojekts der beteiligten Museen ist die Offenlegung des Zeitpunkts, zu dem Flechtheim das jeweilige Werk handelte sowie die Umstände, unter denen das Werk schließlich von der jeweiligen Institution erworben wurde. Die 15 Museen werden deshalb in Ausstellungen und Werkspräsentationen in den eigenen Räumen die Kunstwerke der Öffentlichkeit präsentieren, die die Herkunft „Alfred Flechtheim“ aufweisen. Zudem werden auf der Internet-Website „www.alfredflechtheim.com“ sämtliche Werke auch mit Titel, Datierung, Erwerbszeitpunkt und Verbleib aufgelistet. Auch die als „entartet“ 1937 von den Nazis aus den Museen entfernten und bis heute verschollenen Werke werden ab dem 9. Oktober im Internet eingestellt. 
 
Flechtheim starb nur 4 Jahre nach seiner Flucht aus Deutschland verarmt in London an den Folgen eines Unfalls. In deutschen und US-amerikanischen Museen hängen nach Angaben der Anwälte von Flechtheims Erben Bilder aus der Sammlung Flechtheim, die insgesamt einen Marktwert von 100 Millionen Euro haben sollen. Geradezu abstrus, daß das Landgericht Berlin den Erben im Jahr 1954 ganze 8.000 D-Mark als Wiederbeschaffungswert für Bilder von Hofer, Klee, George Gross, Matthiess, Monet und Renoir zusprach. Der noch lebende Erbe Michael Hulton hat mehrfach erklärt, die Gemälde könnten in den Museen bleiben. Die Erlöse aus dem Verkauf wolle er für die Aids-Forschung stiften.
Beteiligt sind neben der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf das Kunstmuseum Bonn, die Kunsthalle Bremen, das Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund, die Stiftung Museum Kunstpalast Düsseldorf, das Städel Museum Frankfurt, die Hamburger Kunsthalle, das Sprengel Museum Hannover, die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, das Museum der Stadt Köln, das Museum der bildenden Künste in Leipzig, die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München, das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster, die Stuttgarter Staatsgalerie und das Museum Riehtberg in schweizerischen Zürich.